Ringvorlesung am 14. Dezember 2021 | 18:30 Uhr | Technische Universität Berlin, Straße des 17. Juni 135, Hörsaal 111 (Erdgeschoss)
Der Ort, an dem jetzt das Humboldt Forums steht, ist in den letzten Jahrzehnten ein Brennpunkt hitziger Architekturdebatten. Im Kern ging es um die Frage, welche Rolle Architektur in der Konstruktion von Identität(en) in Gesellschaften spielt und welche Wechselwirkungen zwischen Form und Nutzung eines Gebäudes auch auf der symbolischen Ebene bestehen. Die Heftigkeit dieser Debatten erklärt sich aus der Geschichte dieses besonderen, symbolisch aufgeladenen Ortes im Zentrum Berlins. Insbesondere in den vergangen einhundert Jahren wurde er zunehmend radikal neu besetzt: Umnutzung des Königlichen Schlosses nach der Revolution 1918, Sprengung der Ruine 1950, Leere, zwanzig Jahre Gestaltungsstreit, Neubau des Palastes der Republik 1973-76, Verfall, zwanzig Jahre Streit, Abriss bis 2008 und schließlich Neubau einer Teilrekonstruktion des Schlosses als Humboldt Forum 2013-2020. Um eine Haltung zur Geschichte des Ortes kam dabei keine Generation herum – sowohl bei der Entstehung des Staatsforums der DDR in den 1960er und 1970er Jahren, als auch ab 1990 in der Debatte um eine Rekonstruktion des Berliner Schlosses, die Bedeutung des Palastes der Republik, das Kreuz, die Inschrift und die Nutzung für die kolonialen außereuropäischen Sammlungen. Welche Rolle kommt an einem solchen Ort, hinter den kopierten Fassaden eines Schlosses, der Auseinandersetzung mit Geschichte zu? Der Vortrag beleuchtet, welche Haltung für die vier Dauerausstellung im Humboldt Forum entwickelt wurde und wie sich die weitere programmatische Arbeit gestalten kann.
Dr. Alfred Hagemann ist seit 2018 Leiter des Bereichs Geschichte des Ortes der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss. Sein Team verantwortet vier Dauerausstellungen und entwickelt Veranstaltungen, Programme, Sonderausstellungen und Publikationen zur Geschichte des Ortes, an dem heute das Humboldt Forum steht. Nach der Promotion an der Technischen Universität Berlin im Rahmen des Graduiertenkolleg Kunstwissenschaft – Bauforschung – Denkmalpflege war Hagemann von 2005 bis 2018 Mitarbeiter der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg. Hier kuratierte er eine Reihe kulturhistorischer Ausstellungen, z. B. die Ausstellung Frauensache im Schloss Charlottenburg (2015), die erstmals die Rolle weiblicher Protagonistinnen am brandenburg-preußischen Hof umfassend beleuchtete oder Friederisiko anlässlich des 300. Geburtstages von Friedrich II. von Preußen im Neuen Palais in Potsdam (2012). Die Dauerausstellung in Schloss Schönhausen (2009) setzte sich intensiv mit dem Schloss als Ort sowohl der höfischen Kultur als auch als Erinnerungsort der DDR-Geschichte auseinander. Fragen nach den (bau-)künstlerischen Formen der Repräsentation und der räumlichen Strukturierung von Macht in unterschiedlichen Zeiten und Systemen standen dabei im Mittelpunkt des Interesses, die unter ganz besonderen Voraussetzungen auch im Humboldt Forum von zentraler Bedeutung sind. |