Suzana Milevska (Insbruck): Shameful Objects, Apologising Subjects

Die strukturellen Bedingungen des Sammelns und Ausstellens in Museen und anderen Institutionen geraten zunehmend in die Kritik. Schwierige historische und kulturelle Hintergründe sind ebenso zu hinterfragen, wie die Intentionen der Musealisierung. Makro- wie mikrohistorische Narrative werden zum Gegenstand von Prozessen der Dekolonisierung. 

Zugleich ist es notwendig, angemessene Strategien für die Auseinandersetzung mit diesen Objekten (oder ganzen Sammlungen) zu entwickeln, die auf sorgfältig formulierten Zielen und zu erwartenden Ergebnissen beruhen. Besonders wichtig ist dabei die Abschätzung möglicher Auswirkungen, die der Umgang mit diesen Objekten in den betroffenen Herkunftsgemeinschaften oder in den sammelnden Institutionen auslösen könnte. Entgegen dem Ignorieren oder Übersehen gilt es konstruktive Formen des Umgangs zu entwickeln. Das Konzept der „productive shame“, das Paul Gilroy für die komplexen Prozesse der Aufarbeitung kolonialer und imperialer Vergangenheiten vorgeschlagen hat, erweist sich in dieser Frage als besonders relevant: Welcher Umgang mit einer „lähmenden Schuld“ ist angesichts von persönlichen und kollektiven Erinnerungen an furchtbare Gräueltaten und Genozide möglich? Wie können diese Erfahrungen in eine „produktive Scham“ transformiert werden, die nicht nur die Perspektive der Täter, sondern auch die der Opfer und Zeugen traumatischer Ereignisse im Blick behält? 
Ausgehend von diesen Fragen untersuche ich Beispiele „produktiver Scham“ aus interdisziplinärer Perspektive und zeige wie sich zu schwierigen Vergangenheiten durch die Formen des Entschuldigens, Umbenennens, Rückführens und Restituierens eine Distanzierung artikulieren lässt. In diesem Zusammenhang stelle ich das ontologische Verständnis einer psychoanalytischen Konzeption von Scham in Frage, die allein auf persönlichen traumatischen Erfahrungen von Mangel, Verlust, unterdrückter Erinnerung und Abwesenheit beruht. 

Suzana Milevska (Nordmazedonien) ist Kuratorin, Kunsttheoretikerin und Kulturwissenschaftlerin. Derzeit arbeitet sie als Forschungsstipendiatin im Künstlerhaus Büchsenhausen in Innsbruck. Ihre theoretischen Arbeiten beschäftigen sich mit postkolonialer und feministischer Institutionskritik an Repräsentationsregimen hegemonialer Macht in Kunst und visueller Kultur sowie mit der Dekonstruktion und Dekolonisierung umstrittenen Kulturerbes in Kunstinstitutionen, Sammlungen und öffentlichen Räumen. Ihre kuratorischen Projekte konzentrieren sich auf kollaborative und partizipatorische Kunstpraktiken, feministische Projekte von Künstler:innen und gemeinschaftsbasierte Projekte in Solidarität mit marginalisierten und entrechteten Gemeinschaften. 2019 kuratierte Milevska die Ausstellung „Contentious Objects/Ashamed Subjects“ am Politecnico di Milano. Von 2013 bis 2015 hatte sie eine Stiftungsprofessur für mittel- und südosteuropäische Kunstgeschichte an der Akademie der bildenden Künste in Wien inne. Milevska erhielt ein Fulbright Senior Research Scholarship (Library of Congress, Washington D.C.). Sie promovierte im Fachbereich Visual Cultures am Goldsmiths College London. Im Jahr 2012 wurde sie mit dem „ALICE Award for Political Curating“ und dem „Igor Zabel Award for Culture and Theory“ ausgezeichnet. 2010 initiierte Milevska das Projekt „Call the Witness“, das sich auf zeitgenössische Roma-Künstler konzentrierte und aus einem partizipativen Online-Roma-Medienarchiv, der Ausstellung „Call the Witness“ (BAK Utrecht) und dem Pavillon des Roma auf der 54. Biennale in Venedig bestand. Im Jahr 2011 kuratierte sie außerdem das Projekt „Roma Protokoll“ im Rahmen der Wiener Festwochen im Österreichischen Parlamentsgebäude in Wien.

Der Vortrag findet nicht wie bislang geplant an der Technischen Universität Berlin sondern im digitalen Format statt und kann unter folgendem Link (Zoom-Meeting) verfolgt werden:

https://tu-berlin.zoom.us/j/69181277058?pwd=aVhXR0QzSGhnRTZTYlRNS3pVYXVvQT09

Meeting-ID: 691 8127 7058 / Kenncode: 723331

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