Sebastian Willert (Berlin): Von Mausoleen, Moscheen und Museen: „Nationale Altertümer“ als osmanisches Erbe?

Auf dem Territorium des Osmanischen Reichs waren Relikte verschiedener antiker Zivilisationen aus einer mehr als 4000-jährigen Besiedlungsgeschichte zu finden. Dieses umfangreiche kulturelle Erbe wurde im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert durch Faktoren wie Abwanderung in ausländische Museen und Zerstörungen durch Baumaßnahmen bedroht. Die Brüder Osman Hamdi Bey und Halil Edhem Eldem widmeten sich als Direktoren des Müze-i Hümayun (Imperiale Museum) dem Schutz der Altertümer im Osmanischen Reich und traten in Opposition zu den ausländischen Museumsinteressen.

Als im Jahr 1906 das osmanische Antikengesetz novelliert wurde, erreichten zahlreiche Protestnoten das Außenministerium des Osmanischen Reichs in Istanbul. Von Sanktionen verschiedener europäischer Mächte bedroht, verfolgte Istanbul jedoch weiterhin eine protektionistische Kunstpolitik. Zunehmend fand eine Inwertsetzung von Kulturgütern im Osmanischen Reich statt und kulminierte im Zuge politischer Umwälzungen und Brüche nach der jungtürkischen Revolution 1908/09 im Versuch, Altertümer zur Bildung einer osmanischen Identität zu instrumentalisieren. Auch während des Ersten Weltkriegs erfolgten Maßnahmen, das Erbe des Osmanischen Reichs zu schützen. Nun allerdings unter aktiver Partizipation aus Berlin im Rahmen des sog. Deutsch-türkischen Denkmalschutz-Kommandos. Der Vortrag skizziert die Versuche der osmanischen Museumsdirektoren, in Opposition zu ausländischen Museumsinteressen, antike Objekte zu bewahren und für die Herausbildung eines osmanischen Nationalbewusstseins zu nutzen und analysiert die Intentionen des Denkmalschutzes während des Ersten Weltkriegs.

Sebastian Willert studierte Geschichte an der Justus–Liebig–Universität Gießen, der Universität Bremen und der Leibniz Universität Hannover und schloss das Studium 2016 ab. Seit September 2017 ist er Mitarbeiter des Forschungsclusters Translocations. Historical Enquiries into the Displacement of Cultural Assets an der Technischen Universität Berlin, Fachgebiet Kunstgeschichte der Moderne. Im November 2017 erhielt er ein Stipendium des Excellenzclusters topoi und ist seitdem Doktorand an der Berlin Graduate School of Ancient Studies (BerGSAS) im Promotionsprogramm Ancient Object(s) and Visual Studies (AOViS). Der Arbeitstitel seines Dissertationsprojektes lautet: „Kulturimperialismus versus Protektionismus? Antike Objekte als Konfliktfaktor der deutschen und osmanischen Kunstpolitik zwischen 1890 und 1918“.