Sarah Alberti (Leipzig): Zur Lage des Hauptes. Via Lewandowskys Beitrag zum Ausstellungsprojekt »Die Endlichkeit der Freiheit« – ein ephemeres Einheitsdenkmal im Jahr 1990
Mit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 hatte Berlin zwei Stadtzentren: das historische zwischen Brandenburger Tor und Alexanderplatz sowie das jüngere um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Charlottenburg. Die Siegessäule stand über Nacht zwischen beiden Zentren der noch nicht wiedervereinten Stadt. 10.000 DDR-Bürger hatten sie in der Woche nach dem Mauerfall besucht. Im Sommer 1990 verdeckten Styroporplatten das Mosaik, das Anton von Werner (1843 – 1915) für den Säulenumgang ausgeführt hatte. Nachts verwandelten Scheinwerfer diese Fläche in einen weißen, glühenden Kern. Die Intervention des Künstlers Via Lewandowsky war Teil des Ausstellungsprojektes Die Endlichkeit der Freiheit. Elf Künstler waren 1990 eingeladen, die aktuelle Situation in Berlin zu kommentieren, um eine »andere, künstlerische Politik zu machen«. Zu einer Zeit, in der in der Stadt »die Erschütterung der Systeme und Blöcke besonders deutlich« wurde, sollten zweiteilige Kunstwerke in beiden Stadthälften auf diesen Prozess reagieren oder versuchen, ihn zu beeinflussen. Via Lewandowsky realisierte den zweiten Teil seiner Arbeit Zur Lage des Hauptes gemäß der kuratorischen Vorgabe im Ostteil der Stadt an einem historisch ebenso bedeutenden Ort und verdeckte mit einer Stoffbahn die Porzellankacheln eines von Max Lingner (1888 – 1959) geschaffenen Wandbildes am Haus der Ministerien. Lewandowsky war neben internationalen Künstlern wie Hans Haacke, Christian Boltanski oder Ilya Kabakov als Einziger der Teilnehmenden in der DDR geboren und aufgewachsen. Noch kurz vor dem Mauerfall hatte er sie gen West-Berlin verlassen und schuf nun, kaum ein Jahr später, ein erstes ephemeres »Einheitsdenkmal«, das im Sinne des von Heiner Müller formulierten Ausstellungstitels die politischen Veränderungen nicht nur begrüßte, sondern vielmehr in seiner Ambivalenz verdeutlichte sowie auf die gemeinsame deutsche Geschichte seit Errichtung der Säule im Jahr 1873 verwies.