Maria Frölich-Kulik (Weimar): Bestand ohne Halt? Landbahnhöfe als Ressourcen nachhaltiger Landschaftsentwicklung
Unter der Stabilität von Gebäuden versteht man vor allem deren materielle Struktur. Aber wie stabil steht ein Gebäude, das seine soziale Bedeutung verloren hat? Landbahnhöfe waren in ihrer ursprünglichen Funktion für den ländlichen Raum von zentraler Bedeutung: Sie förderten Mobilität, Beschleunigung und Modernisierung. Sie galten als Eingangstore von Orten und gleichzeitig fungierten sie als Zugang zur Welt – sie waren die Schnittstelle zwischen Stadt und Land, zwischen global und lokal. Die gegenwärtige Situation ist jedoch eine andere: Viele ländliche Regionen haben mit Abwanderung, dem Rückbau von Infrastrukturen sowie mangelnder Versorgung zu kämpfen. Im Ergebnis stehen viele Landbahnhöfe leer, verfallen oder werden abgerissen. Im kollektiven Gedächtnis sind sie dennoch nach wie vor vorhanden und bilden alltagsrelevante Orte. Realität und Vorstellung stehen hier in einem eklatanten Widerspruch, worauf sich nicht zuletzt das gesellschaftliche Bedürfnis nach zukunftsfähigen und nachhaltigen Nutzungen gründet. Um jedoch bestehen zu bleiben, müssen sich die historischen Gebäude neuen Verhältnissen anpassen – womöglich ohne dabei ihre Identität zu verlieren. Die (In-)Stabilität dieser gebauten Strukturen ist damit Potential und Herausforderung gleichermaßen: Als Teil des bestehenden Schienennetzwerkes haben Landbahnhöfe das Potential, alte Verbindungen in neue Zusammenhänge zu stellen. Ihr Verbund kann im Sinne eines Ressourcensystems als eine stabilisierende Struktur im vermeintlich strukturschwachen ländlichen Raum aufgegriffen und genutzt werden. Für die Planung besteht die Herausforderung, eine Umnutzung und Aneignung zu ermöglichen und neue Bedeutungen und öffentliche Funktionen für die bereits gebaute Infrastruktur aufzuzeigen, anstatt sie der Schnelllebigkeit unserer Zeit Preis zu geben.