Marco A. M. Gabriel (Mailand): Transnationale Identitäten in der Architektur: Zu kulturellen Wertzuschreibungen an die Fachwerkbauweise in der deutsch-brasilianischen Bevölkerungsgruppe des Itajai-Tals in Brasilien seit den 1970er Jahren
Der Vortrag erkundet die Tradierung und touristische Vermarktung der Fachwerkbauweise, die deutsche Einwanderer in das Itajai-Tal (Santa Catarina, Brasilien) eingeführt haben. Es wird gezeigt, wie gegensätzliche Auffassungen des deutsch-brasilianischen Transnationalismus den Übergang des Fachwerks von einer funktionalen Bauweise zu einem Statussymbol des Deutschen im Brasilien der 1970er Jahre begleitet haben. Besondere Aufmerksamkeit erhalten dabei die pommerschen Einwanderer in Pomerode.
Die Fachwerkbauweise war in den deutschen Kolonien im Itajai-Tal seit den 1850er und bis in die 1950er Jahre weit verbreitet und ist bis heute typisch für das Stadtbild brasilianischer Städte wie Blumenau und Pomerode. In den ländlichen Gebieten des Itajai-Tals brachten Fachwerkkonstruktionen einen einzigartigen Stil des vernakulären Bauens hervor, der vor allem in den Landhäusern kleiner Familienbetriebe und an den zahllosen städtebaulichen Typologien von Kirche, Schulen, Festhallen, Gasthäuser, Warenhäuser ersichtlich ist.
Im Zuge einer dekadenten Ausbreitung der Technik und den Folgen der von nationalistischen Kampagnen gekennzeichneten Varga-Ära (1937-1945) wurde das Fachwerk zu einem zentralen Bezugspunkt, der nach kultureller Anerkennung strebenden Nachfahren der deutschen Einwanderer. Das Bauen mit Fachwerken wurde zugleich institutionalisiert und vermarktet. Dabei – so die These dieses Vortrags – hat sich die Beziehung dieser sozialen Gruppe zu ihrer „neuen Heimat“ tiefgreifend verändert und ein anderes Verständnis von ethnischer Zugehörigkeit hervor gebracht.
Marco Antonio Minozzo Gabriel ist ein brasilianischer Architekt, der aktuell am Politecnico di Milano (Italien) auf dem Gebiet der Denkmalpflege lehrt und promoviert. Seine Forschungen widmen sich der Herkunft, Tradierung und Vermarktung von Fachwerk-Architekturen pommerscher Einwanderer im Itajai Tal. Er studierte an der Universität Edinburg Baudenkmalpflege (M.Sc.) und erhielt die Auszeichnung UK Chevening Awards Scholar. In Brasilien war Minozzo Mitarbeiter des Immigration Region Technical Office Chief for the Brazilian National Historical and Artistic Heritage Institute (2017-2019) und Delegierter des UNESCO’S World Heritage Young Professionals Forum in Bahrain (2018) sowie des UNESCO Third International Youth Forum on Heritage and Creativity along the Silk Roads (China-2019). Er war Sprecher des UNESCO International Youth Forum Special Dialogue on Youth’s Response to COVID-19 (2020).
Hochschule Anhalt Dessau (Dessauer Gespräche)
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