Małgorzata Popiołek (Berlin): Diktatur der Ästheten. Konstruktion des architektonischen Erbes in Warschau nach dem Zweiten Weltkrieg

Der Wiederaufbau des zerstörten historischen Stadtzentrums von Warschau nach dem Zweiten Weltkrieg galt bisher als die treuste Rekonstruktion in der europäischen Architekturgeschichte. Das geschaffene Viertel war jedoch eine Realisierung des bereits vor und während des Krieges von den polnischen Architekten geplanten Sanierungs- und Restaurierungskonzeptes.

Radikal in seiner Umsetzung konnte der Umbau paradoxerweise erst aufgrund der immensen Zerstörung und im Zuge des politischen Systemwechsels realisiert werden. Eine besondere Rolle spielte dabei die personelle Kontinuität der Akteure des Wiederaufbaus, die sich in ihrer Planung ununterbrochen seit den 1930er Jahren mit dem Warschauer Stadtzentrum auseinandersetzten. Die durch die wechselnde Geschichte Polens erfahrenen Architekten wussten, wie sie ihre Ideen geschickt vermittelten und in die jeweilige, im gegebenen Moment politisch geltende Sprache, übersetzten sollen. Gerne griffen sie nach dem Zweiten Weltkrieg, in Kooperation mit den kommunistischen Machthabern, auf undemokratische Methoden bei der Verwirklichung ihrer Traumvorstellung über die Warschauer Innenstadt zurück.
Im Vortrag wird eine neue Interpretation der architektonischen und ideologischen Wurzel des Wiederaufbauprogramms der Warschauer Baudenkmale sowie die bisher weniger bekannten Kulissen seiner Realisierung nach 1945 präsentiert.

Małgorzata Popiołek ist seit 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Historische Forschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Sie studierte Kunstgeschichte und Denkmalpflege in Warschau, Freiburg im Breisgau und Berlin. Im Rahmen eines Cotutelle-Verfahrens promovierte sie an der Technischen Universität Berlin und an der Universität Breslau mit der Doktorarbeit „Warschau. Ein Wiederaufbau, der vor dem Krieg begann“.