Körper-Gewalt-Instrumentalisierung der Sámi: Ein Schauplatz kolonialer Praktiken von ›Othering‹ (GER)
1875 wurde eine samische Familie mit ihrer Rentierherde in der ersten Hagenbeckschen »Völkerausstellung« in Hamburg als »Lappländerfamilie« und »Menschen aus dem hohen Norden« zur Schau gestellt. Bis in die 1950er Jahre reistenmindestens 30 Sámi-Gruppen innerhalb dieser Schauen durch Europa. Die Inszenierung vermeintlich primitiver und exotischer Lebensverhältnisse bestimmter marginalisierter Völkergruppen als so »authentisch und natürlich« wie möglich, bestätigte und erweiterte aus einem rassistischen Überlegenheitsgefühl heraus die vorhandenen Klischeebilder und Stereotypisierungen. Darüber hinaus entwickelten skandinavische und deutsche Wissenschaftler*innen Anfang des 20. Jahrhunderts ›Rassentheorien‹ und kategorisierten und vermaßen lebende Sámi und samische human remains. Damit waren die Sámi gleich zwei Arten seelischer und körperlicher Gewaltausübung ausgesetzt: Zum einen, indem ihre Körper auf ein bestimmtes europäisches Bild reduziert und instrumentalisiert wurden, um daraus Profit zu schlagen. Zum anderen, indem ihre Körper ›im Namen der Wissenschaft‹ in rassenbiologischen Versuchen angeeignet und mit machtasymmetrischen Narrativen versehen wurden. Beides sind Praktiken des ›Othering‹ (Spivak 1985; Said 1978; Fabian 1983), ausgerichtet auf die Herabwürdigung und Ausgrenzung von race und Ethnizität, in der Körper sozial und medizinisch als andersartig und minderwertig konstruiert wurden.
In meinem Vortrag nähere ich mich diesen sensiblen Themen anhand der Aufarbeitung und Positionierung samischer und finnischer Künstler*innen: Annika Dahlsten und Markku Laakso spüren in ihrer Bilderreihe »Jump in Diorama« (2011-2013) ausgehend von Laaksos Familiengeschichte u.a. an den Originalschauplätzen in Hagenbeck’s Tierpark der Authentizität, Künstlichkeit und den voyeuristischen Mechanismen von »Menschenschauen« nach. Die Künstlerin Minna Henriksson stellt in ihrer großen Wandzeichnung »Nordic Race Science« (2016) die Beziehungen zentraler Rassenwissenschaftler*innen der nordischen Länder und Deutschland zwischen 1850 und 1945 und ihre Verbindungen zu eingebundenen Institutionen heraus. Anhand dieser künstlerischen Arbeiten gehe ich am Beispiel der Sámi der Rolle von Körpern und ihren Relationen in einem rassistischen und kolonialen System nach, in dem Körper angeeignet, kontrolliert, instrumentalisiert und im Dienste der Wissensproduktion benutzt wurden.