PRÄSENZ UND ABWESENHEIT VON KÖRPERN IN DER AUSHANDLUNG DES NATIONALTHEATERS IN TIRANA, ALBANIEN (GER)
Das 1938/1939 von Giulio Bertè während der albanischen Monarchie und italienischen Besatzungszeit im rationalistischen Stil entworfene Nationaltheater ist Teil der monumentalen Stadtachse Tiranas. Städtische, nationale und europäische Identitätskonstruktionen begegnen sich an diesem Ort, der seit 2018 zum Gegenstadt eines politisierten Konflikts wurde, als die Pläne zum Abriss des Gebäudes und für einen modernen Ersatzbau von Bjarke Ingels Group bekannt wurden.
Im Zuge des zweijährigen Protests für den Erhalt des Nationaltheaters, der allen voran von der ›Allianz zum Schutz des Nationaltheaters‹ geführt wurde, entstand ein Banner mit der Aufschrift »Kulturdenkmäler werden von der Bevölkerung geschützt«. Das Banner gilt als Reaktion der Allianzauf den mangelnden politischen Willen für den Erhalt des Gebäudes. Gleichzeitig betont es ihre körperliche Präsenz als Protestform. Nicht nur das Banner, sondern auch die Besetzung des Gebäudes von Juli 2019 bis zum Abriss am 17. Mai 2020 zeigen, welche bedeutende Rolle physische Präsenz als Strategie für den Schutz dieses Erbes gespielt hat.
Diese körperlichen Strategien zum Erhalt des Gebäudes gestalteten sich jedoch vor dem Hintergrund einer abwandernden Gesellschaft und im Zuge der COVID-19-Pandemie besonders schwierig. Beide Entwicklungen führten zu einer Verschiebung der körperlichen Präsenz von Akteur*innen des Konflikts in die sozialen Netzwerke. Zudem konnte körperliche Präsenz als Protestform auch von Befürworter*innen des Abrisses des Gebäudes am 17. Mai 2020 genutzt werden.
In meinem Vortrag möchte ich das widersprüchliche Verhältnis von körperlicher Präsenz und Abwesenheit in der öffentlichen Diskussion um den Abriss des Nationaltheaters in Tirana beleuchten. Letztlich sollen Rückschlüsse für die Bedeutung des Erhalts von Kulturerbe in abwandernden Gesellschaften gezogen werden.