Jürgen Straub (Bochum): Personale und kollektive Identität. Semantische und politische Aspekte eines sozial- und kulturwissenschaftlichen Grundbegriffs
Mit der Allgegenwärtigkeit des Identitätsbegriffs bereits in den 1970er Jahren wurde seine Bedeutung zunehmend unklar. Seither wurde häufig behauptet, dass das wissenschaftliche Potential des Identitätsbegriffs erschöpft sei. Diese Diagnose war und ist falsch – wenngleich man sich vor dem grassierenden Missbrauch des Begriffs hüten sollte.
Im Vortrag soll geklärt werden, was unter einem nach wie vor brauchbaren Konzept personaler und kollektiver Identität verstanden werden könnte. Nach dieser analytischen Arbeit am Begriff werden politische Dimensionen des Identitätsbegriffs erörtert. Dabei soll seine enge Verwandtschaft mit Vorstellungen einer „offenen Person“ und „offenen Gesellschaft“ im Zeitalter der Kontingenz aufgezeigt werden. Dadurch wird nicht zuletzt deutlich, dass die sog. „identitäre Bewegung“ ihren Namen nicht verdient. Sie hätte sich sachgemäßer „totalitär“ genannt. In den Anfängen identitätstheoretischer Diskurse – also in den 1940 Jahren – spielte die Unterscheidung zwischen „Identität“ und „Totalität“ nicht zufällig eine entscheidende Rolle.
Prof. Dr. phil. Jürgen Straub ist seit 2008 Inhaber des Lehrstuhls für Sozialtheorie und Sozialpsychologie in der Ruhr Universität Bochum (RUB). Seit Juli 2014 leitete er (mit Dr. Pradeep Chakkarath) das „Hans-Kilian und Lotte-Köhler-Zentrum für sozial- und kulturwissenschaftliche Psychologie und historische Anthropologie“ in der RUB. Im Februar 2018 erhielt er den Höffmann-Wissenschaftspreis für Interkulturelle Kompetenz 2017 der Universität Vechta.