Johanna Blokker: Vom Ende her denken: Verfall, Zerstörung und Abriss als Erfahrung
Die Daseinsberechtigung und Kernaufgabe der Denkmalpflege ist es, den Verlust von Gebäuden als Zeugen der Geschichte, als Träger von Bedeutungen wie Erinnerungen und als Identitätsstifter zu verhindern. Letztlich bleibt Verlust jedoch unvermeidlich: Das Naturgesetz der Entropie besagt, dass sich alle Strukturen in Unordnung auflösen und letztlich verschwinden müssen. Es ist aber auch wahr, dass die Vergänglichkeit aller Dinge gerade das ist, was sie wertvoll und erhaltenswert macht. Diese Spannung zwischen Bewahren und Verlieren, dieser ständige Impuls, auf dem unsere Arbeit beruht, könnte man als die innere Triebkraft der architektonischen Konservierung bezeichnen, als das Perpetuum mobile im Herzen unseres Denkens und unserer Praxis.
Der Vortrag reflektiert über die schwierige, aber notwendige Beziehung zwischen Erhaltung und Zerfall. In einem Versuch, „bei den Problemen zu bleiben“, die unsere Disziplin definieren, werden drei verwandte, aber unterschiedliche Kategorien von Entropie oder Vergänglichkeit in der gebauten Umwelt hervorgehoben: Verfall, Zerstörung und Abriss. Sie alle sind traditionelle Konfliktfelder der baulichen Denkmalpflege. Welchen Wert haben sie als Phänomene der Wahrnehmung? Wie wirken sie auf uns, und wie reagieren wir, wie könnten oder sollten wir reagieren? Was lässt sich aus einer direkten und nachhaltigen Konfrontation mit der unausweichlichen und zugleich unerträglichen Realität lernen, die sie manifestieren?
Prof. Dr. Johanna Blokker ist Kunst- und Architekturhistorikerin und hat den Lehrstuhl für Denkmalpflege an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus inne. Sie promovierte 2012 an der New York University mit einer Studie über den Wiederaufbau in Köln nach dem Zweiten Weltkrieg, die sich der Aneignung und Neuverhandlung von Vergangenheit am Beispiel der zerstörten romanischen Kirchen der Stadt in lokalen Prozessen widmete. Als Postdoc in der Denkmalpflege in Bamberg untersuchte sie die Rolle der Architektur und des kulturellen Erbes bei der Förderung der Ziele und Interessen der Vereinigten Staaten während der Besetzung Deutschlands und in den ersten Jahren des Kalten Krieges. Diese Arbeit wurde mit dem Habilitationspreis 2019 der Universität Bamberg ausgezeichnet und bildete die Grundlage für das aktuelle DFG-geförderte Projekt „Bauten der Besatzungszeit in Westdeutschland (1945-1955): Das Erbe der Demokratisierung in der architektonischen Landschaft Deutschlands“.
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