Ingrid Scheurmann (Dortmund): Kontinuität oder Change-Management? Denkmalpflege in Zeiten des Klimawandels
Die Klimakrise ist die Herausforderungen unserer Zeit. Sie tangiert die Menschen weltweit und macht auch vor dem kulturellen Erbe nicht Halt. Gefährdet sind historische Gärten und Kulturlandschaften ebenso wie Baudenkmale und archäologische Stätten. Erhaltungsfragen erfahren vor diesem Hintergrund neue Bedeutung und Dringlichkeit; die entsprechende Expertise der Denkmalpflege ist gefragt wie nie zuvor.
Gleichzeitig stehen tradierte Auswahlprozesse und Wertzuschreibungen sowie generell die Rolle des Expertentums auf dem Prüfstand. Auch wenn der Klimawandel dafür nicht ursächlich ist, so verschärft er doch die aktuelle Debatte und das Nachdenken über den bedrohten Erinnerungsgehalt von urbanen und kulturlandschaftlichen Kontexten. Der Vortrag betrachtet die Potenziale von Denkmalpflege in Zeiten des Klimawandels aus zwei Perspektiven:
- Zum einen untersucht er deren Position im Kontext der jüngeren fachlichen Diskurse und hier konzeptionell vor allem mit Bezug auf die Idee der „Reparaturgesellschaft“ (Wilfried Lipp) sowie die zugehörigen Studien zu „Langfristperspektiven“ (Uta Hassler).
- Zum anderen betrachtet er die Herausforderungen der Denkmalpflege mit Blick auf die Anthropozänforschung, die ‚den‘ Menschen als „geological agent“ und Verursacher der globalen Klimakrise definiert und die klimaspezifischen „Langfristperspektiven“ seines Handelns analysiert.
Dieser Perspektivenwechsel wirft grundlegende epistemische Fragen auf nach dem Verhältnis von Kultur und Natur, der Spannung von internationalen und nationalen Wertsetzungen, Objekten und Prozessen, interdisziplinären und fachspezifischen Kriterien.
Der Klimawandel, so eine Hypothese des Vortrags, stellt eine grundsätzliche Herausforderung für sämtliche gesellschaftliche Schutzbelange dar und wird in der Geschichte der Denkmalpflege vermutlich eine ähnliche Bedeutung haben wie zuvor die Industrialisierung oder die Französische Revolution. So gesehen ist das „Change Management“ der Burra Charter nicht nur als Methoden-, sondern als Indiz eines umfassenderen Wertewandels zu verstehen. Darauf sucht der Vortrag Antworten zu formulieren.
Prof. Dr. phil. Ingrid Scheurmann, Historikerin, Honorarprofessorin für Denkmalpflege an der TU Dortmund, Lehrbeauftragte an der TU Berlin (Masterstudiengang Historische Bauforschung und Denkmalpflege)
2001–2008 Leiterin der Dehio-Geschäftsstelle bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, 2005 Kuratorin der Ausstellung „Zeitschichten- Erkennen und Erhalten. Denkmalpflege in Deutschland“.
2008–2012 Vertretungsprofessorin für Denkmalkunde und angewandte Bauforschung an der TU Dresden und Leiterin des Masterstudiengangs „Denkmalpflege und Stadtentwicklung“.
2009–2912 Leiterin des Teilprojekts „Zwischen Historie und Historisierung“ innerhalb des BMBF-Forschungsprojekts „Denkmal – Werte – Dialog,“ 2014–17 Leiterin des Teilprojekts „Noch eine Erweiterung des Denkmalbegriffs?“ im BMBF-Forschungsprojekt „Welche Denkmale welcher Moderne?“
Mitglied im Vorstand des Arbeitskreises Theorie und Lehre der Denkmalpflege (2008-2018), im Vorstand des Vereins für die Geschichte Berlins, des Archeological Heritage Networks des Auswärtigen Amtes und von Icomos.
Zahlreiche Publikationen zur Geschichte und Theorie der Denkmalpflege, zuletzt: „Konturen und Konjunkturen der Denkmalpflege. Zum Umgang mit baulichen Relikten der Vergangenheit“ (Köln, Weimar, Wien 2018).
Bauhaus-Universität Weimar
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