Gefühl und Gewalt: Malerische Architektur und Stadtplanung im englisch- und deutschsprachigen Raum seit dem 18. Jahrhundert. Ein ästhetisches Konzept affektiver Kontrolle und (sozial)räumlicher Segregation (DE)
Das Malerische, vornehmlich im englisch- und deutschsprachigen Raum verbreitet, entwickelte sich in den Architektur-, Städtebau- und Kulturdiskursen des 18. bis 20. Jahrhunderts. Der Begriff (im Englischen: the Picturesque) beschreibt atmosphärisch-idyllische Erscheinungen, die das Vernakuläre, Landschaftliche sowie Identitär-Nostalgische charakterisieren und meistens im vermeintlichen Kontrast zu den industrialisierten Großstädten und rationalisierenden Planungsstrategien stehen. Beginnend in der Landschafts- und Architekturmalerei sowie der Gartengestaltung fand das Konzept seither unter anderem Anwendung in Architektur und Siedlungsbau, in der Freizeitparkgestaltung, im Tourismus-Marketing oder bei Bildproduktionen in Print- und Digital-Medien.
Seit dem 18. Jahrhundert kam es in Europa und den USA zu Nationenbildungen, mit denen auch neue ästhetische Konzepte wie das Malerische einhergingen, das kollektive Identitäts- und Erinnerungsbildung affektiv hervorruft und im Sinne einer Containment-Strategie wirksam werden kann. Kollektive, Regime und Unternehmen machten sich das kontrollierende Effektpotential dieses Konzeptes zu eigen und wenden es bis heute auf verschiedene Modalitäten – von flachen Bildern über immersive Parkgestaltung bis hin zum Siedlungsbau – (bio-)politisch an; von Beginn an werden dabei sozioökonomische und rassistische Ausschlüsse produziert.
Der Vortrag gliedert sich in drei Kapitel: In Teil 1 gehe ich grundlegend auf die ästhetische Kategorie des Malerischen und ihre affektiven, technologischen und politischen Funktionen ein; ich betrachte das Konzept in Bezug auf den Architekturhistoriker John Macarthur als räumlichen „Verhandlungspunkt“ der europäischen Moderne. In Teil 2 präsentiere ich einen globalen Überblick über Malerische Architektur und Stadtplanung mit Fokus auf den englisch- und deutschsprachigen Raum. In Teil 3 stelle ich als konkrete Fallstudie die städtebaulichen Ambitionen des Disney-Konzerns (und begleitende Entwicklungen) vor, der mit Abteilungen wie Imagineering und Storyliving – mit starkem Bezug auf das Malerische – nicht nur Filme und Themen-Parks im Portfolio hat, sondern bis heute ganze Wohn-Siedlungen plant und baut; das reicht von der Stadtvision EPCOT bis hin zu Realisierungen wie Celebration und Golden Oak in Florida und Cotino in Kalifornien.