Das Forschungs- und Vermittlungsprojekt «A Future for whose Past? The Heritage of Minorities, Fringe Groups and People without a Lobby» zum 50. Jubiläum des Europäischen Denkmalschutzjahres (DE)
Das Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 stand unter dem Motto «Eine Zukunft für unsere Vergangenheit». 50 Jahre später stehen wir angesichts der Folgen von Krieg, Klimawandel, Migration und Vertreibung vor der Frage, ob wir noch von einer Vergangenheit und einem Denkmalbestand sprechen können. Cultural turn, Postkolonialismus und Critical Heritage Studies haben den Erbebegriff von einer kanonischen hin zu einer diskursiven Epistemologie verändert. Minderheiten verlangen in Absetzung von normativen Identitätskonzepten einen veränderten Umgang mit Denkmalen. Baukultur und Bestandserhalt fordern das Werte-System der Denkmalpflege heraus.
Das Forschungs- und Vermittlungsprojekt „A Future for whose Past? The Heritage of Minorities, Fringe Groups and People without a Lobby“ des ICOMOS Suisse und der Professur Konstruktionserbe und Denkmalpflege der ETH Zürich fragt anlässlich des 50. Jubiläums des EDMSJ, von wessen Erbe die Rede ist und wer über die Erinnerung der Gesellschaft bestimmt. Damit verschiebt sich der Fokus vom universalistischen Wert der ‚Europäischen Stadt‘ zu einer local in the global-Perspektive und von einem essentialistischen zu einem differenzorientierten Gesellschaftsbegriff. Der Begriff der Identität und Ansätze zum Umgang mit dem Erbe von Minderheiten finden sich spätestens seit den 1990er Jahren in internationalen Chartas. Allerdings gehen sie meist von kollektiven Identitäten im integrativen Sinne der Ausbildung gruppenspezifischer Kulturformen ausund blenden Alteritätskonzepte aus.
Das Projekt wendet sozialhistorisch-anthropologische Forschungsmethoden neben der Denkmal- und Architekturtheorie an, um zu zeigen, wie ein erweiterter Denkmalbestand dezentrierte Identitätskonstruktionen und Vergangenheiten abbilden kann. Die Keynote Lecture präsentiert erste Ergebnisse aus Archivforschung, Oral History und Kooperationsprojekten mit Vertreter*innen von Minderheiten, Randständigen und Menschen ohne Lobby. Sie möchte zur Diskussion anregen, wie sich Institutionen der Denkmalpflege für Aneignungs- und Zuschreibungsprozesse von Heritage-Communities öffnen. Wie können jene in Inventaren sowie Entscheidungs- und Beratungsfunktionen sichtbarer werden?