Bodies in, als, von, mit, und ‚Identität und Erbe’ (8. Jahrestagung)

In den letzten dreißig Jahren hat das wissenschaftliche Interesse am Konzept des Körpers eine signifikante Zunahme erfahren. Der Fokus liegt nicht länger ausschließlich auf der Betrachtung des Körpers als passivem Objekt, sondern auch als Akteur, Instrument, Schauplatz und Quelle der Wissensproduktion, insbesondere im Kontext der Untersuchung von Identitäts- und Erbekonstruktionen. Forciert von sozialistisch-feministischen Wissenschaftler*innen, hat der Körper Eingang in diverse Disziplinen gefunden, darunter Kunst- und Kulturwissenschaften, Stadtgeografie und Architekturtheorie.
Körper sind dabei als sozial konstruierte und politisch aufgeladene Konzepte zu verstehen, die in gesellschaftliche Machtverhältnisse der Wissensproduktion eingebettet sind. Auch Prozesse der Bedeutungszuschreibung von Erbe und Identität lassen sich durch die Linse des menschlichen, nichtmenschlichen, gebauten, digitalen, imaginierten Körpers neu betrachten.
Am Beispiel der Denkmalpflege wird das Spannungsfeld der Körperbegriffe ersichtlich, wenn einerseits die Besucher*innen von Kulturerbestätten vornehmlich als Gefahr für die Erhaltung von gebautem Erbe angesehen werden und gleichzeitig von einer Körperlichkeit, gar Leiblichkeit des Objekts die Rede ist. Diese und andere Ambivalenzen lassen es notwendig erscheinen, die Rolle von Körpern und ihren Relationen zu materiellem und immateriellem Erbe zu überdenken, indem Aspekte wie Verletzlichkeit, Emotionen, Disziplinierung und Kontrolle, (politischer) Ein- und Ausschluss, Revitalisierung, Aneignung und/oder Verfall stärker berücksichtigt werden. 
Die 8. Jahrestagung des DFG-Graduiertenkollegs 2227 Identität und Erbe findet am 7. und 8. November 2024 in Berlin statt und wird sich mit den Relationen zwischen Körper, Identität und Erbe befassen. Hierbei steht weniger die Festlegung von Körper-Definitionen in den jeweiligen fachlichen Kontexten im Vordergrund, sondern vielmehr das Zusammenführen verschiedener Ansätze, Praktiken und Debatten, um ein näheres Verständnis von Körpern, Körpererfahrung und Verkörperung in Kulturerbetheorien zu ermöglichen.

Berlin, 7.-8. November 2024
Tagungsort: Silent Green Kulturquartier, Gerichtstraße 35

Anmeldung:

Wir erheben kein Entgelt für die Teilnahme an unserer Konferenz, bitten jedoch um rechtzeitige und verbindliche Anmeldung. Rückfragen zum Programm richten Sie bitte an:
anmeldung@identitaet-und-erbe.org

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Programm

07.11.2024

17:45

Den touristischen Normalfall verändern: Herausfordernde Begegnungen (ENG)

Dokumentarisches und verlangsamtes Schreiben sind vielversprechende Ansätze, um über touristische Körperlichkeit nachzudenken. Sie können dazu beitragen, Touristen nicht nur als verwaltete Subjekte zu verstehen, die in Hotels untergebracht und in Flugzeugen transportiert werden, sondern diese auch als Teilnehmer*innen an gesellschaftlichen Prozessen zu verstehen – an „Begegnungen, die eine Reaktion erfordern”, um einen Ausdruck von Deborah Bird Rose zu verwenden. An einem Weiler im östlichen finnischen Lappland ereignete sich im vergangenen Sommer Folgendes: Ein altes Bauernhaus, als massiver und handwerklich gut ausgeführter Holzbau kurz nach dem Krieg erbaut, blieb im Gegensatz zu vielen anderen Gebäuden in Lappland bis heute erhalten. Als kulturelles Erbe der Beheimatung und der Baugeschichte verkörperte es „ein externalisiertes Gedächtnis vergangener Generationen” (Stiegler) und hätte restauriert und erforscht werden sollen. Stattdessen erwarb ein entfernt gelegenes Tourismusunternehmen das Anwesen von der örtlichen Bank und ließ, ohne das Regionalmuseum zu […]

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Soile Veijola 

08.11.2024

14:00

Rave:Turnaround. Transformationsprozess und Ravekultur in Ostdeutschland (Performance, GER)

In dem Tanzsolo RAVE:TURNAROUND widmet sich die Choreografin und Tänzerin Mandy Unger (alias M.over) dem ostdeutschen Transformationsprozess der 1990er Jahre. Die Überlagerung von Neubeginn und Untergang, Verlusten und Chancen stellte die Menschen während der Wendezeit vor besondere Herausforderungen. Berliner Underground Raves konservierten die anfängliche Euphorie der Wiedervereinigung und trugen dazu bei, Zukunftsängste zu verdrängen. Im Rahmen eines interdisziplinären Residenzprogramms des Thüringer Theaterverbandes begann 2022 die Recherche für das Tanzsolo RAVE:TURNAROUND. Die Solo-Performance stellt die ambivalente Stimmung jener Zeit zwischen Rausch und Angst gegenüber. Sie führt durch die Erfahrungen der 1990er Jahre und erprobt interaktive Momente mit dem Publikum sowie die rein physische Erfahrung eines Raves – das Toben, Tanzen, Rauschen, Bouncen, Loslassen. Das Phänomen Wende wird hier nicht nur historisch betrachtet, sondern auch wortwörtlich genommen und körperlich untersucht.

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Mandy Unger

07.11.2024

9:30

Von Venus und Wal (GER)

Etwa hundert Jahre liegen zwischen zwei musealen Ereignissen, die bis heute ihre Spuren in der schwedischen Kulturgeschichte hinterlassen haben. Eines davon gewährt noch heute Besucher*innen Zutritt zu seinem Körper, das andere wurde nach drei Monaten Ausstellungszeit performativ demontiert. Am Beispiel des »Malmska Hvalen«, dem weltweit einzigen präparierten Blauwal, aus dem Jahr 1865 und der Skulptur »Hon- en Katedral«, die 1966 im Moderna Museet von Niki de Saint-Phalle in Stockholm konzipiert und gebaut wurde, präsentiert, vergleicht und hinterfragt dieser Vortrag zwei Geschichten immersiver Körper in musealer Umgebung.  Während der Wal in Göteborg jährlich sein Maul für Besucher*innen öffnet und mittlerweile zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden ist, verkörpert er zugleich eine wissenschaftliche Tradition, die von der vermeintlichen Herrschaft des Menschen über die Natur zeugt. Eine Tradition, deren Auswirkungen zunehmend diskutiert wird, und die sich teilweise anhand der Präsentation präparierter Tiere in naturhistorischen Museen veranschaulichen lässt. […]

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Nadja Bournonville

07.11.2024

9:30

Der Saal für Menschwerdung. Eine Geschichte der Anthropogenese-Ausstellung im Phyletischen Museum Jena (GER)

Naturkundliche Museen erzählen die Entwicklungsgeschichte des Menschen. Die Erkenntnisse und Irrtümer der Evolutionsbiologie hinterließen in den Ausstellungen dieser Museen ebenso ihre Spuren, wie die Versuche, das Wissen über die Anthropogenese für bestimmte (politische) Zwecke zu vereinnahmen. Am Beispiel des Phyletischen Museums in Jena verfolge ich in meinem Vortrag, wie sich seit dem Bau des Museums im Jahr 1912 das Ausstellungsdisplay der Anthropogenese verändert hat. In den Neuanordnungen und Kommentierungen der musealen Objekte zeigt sich, wie sich die Gesten des Verkündens vermeintlich gesicherter Erkenntnisse zunehmend in den Unschärfen des Nichtwissenkönnens auflösen. Die Erbauer ließen einen Stammbaum über dem Eingang des Museums anbringen – ein Bild, das heute als eine widerlegte Vorstellung evolutionärer Entwicklungen und Rechtfertigung rassistischer Ideen angesehen werden muss. Heute wird die Evolution des Menschen als ein verschlungenes Band mit losen Enden dargestellt. Nur sehr langsam konnten die Verkörperungen vermeintlicher […]

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Wolfram Höhne

07.11.2024

10:30

Were – der Wasserkörper von Tbilisi (GER)

Wasser ist der Ursprung des Lebens auf der Erde. Es ist die körperformende Flüssigkeit – vielfältig, flüssig und zirkulierend. In diesem Sinne bezeichnet das Wort Körperwasser den Wasseranteil eines Körpers und der, meist als »Gewässer« übersetzte Begriff »water body«, die Ansammlung von Wasser auf der Erdoberfläche. Auch Flüsse sind Wasserkörper und gelten als Symbol der Fortbewegung und Vitalität. Sie haben einen Lebenszyklus und werden oft als temperamentvolle oder wissende Wesen beschrieben. In vielen Kulturen gelten sie als sakrale und mystische Körper und haben in unterschiedlichen Ländern mittlerweile den Status von juristischen Personen. Doch die anthropozentrische Idee, dass der Mensch die Natur formt, führte zur hierarchischen Struktur der Natur-Kultur und Subjekt-Objekt Dichotomie sowie in urbanen Kontexten zur Zähmung und Auslöschung einer »wilden Natur«. Entsprechend werden die städtischen Flüsse besonders seit dem 20. Jahrhundert hauptsächlich auf die praktische Nutzung als Infrastruktur degradiert – so auch in der georgischen Hauptstadt. In Tbilisi ist die […]

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Mariam Gegidze

07.11.2024

10:30

Immersives Kulturerbe als verkörperte Politik: Physische Perzeption und historische Perspektive in den hyperrealen Environments von Puy Du Fou (ENG)

Die Proliferation entkörperlichter Formen des kulturellen Konsums und sozialer Interaktion, insbesondere infolge der COVID-19-Pandemie, hat zur Popularisierung immersiver, erlebnisorientierter Aktivitäten geführt. Im Bereich der Public History haben körperlich erfahrbare Repräsentationen der Vergangenheit – darunter historische Reenactments, Living History Museen und immersive Walk-in-Spektakel – an Bedeutung gewonnen und Fragen bezüglich ihrer Relevanz als Instrumente zur Konstruktion historischen Wissens aufgeworfen. Das prägnanteste Exempel dieses Trends manifestiert sich im internationalen Erfolg des Themenparks Puy du Fou, der all diese Formen historischer Verkörperung integriert, um die historische Perspektive seines Gründers, des rechtsgerichteten Politikers Philippe de Villiers, zu vermitteln. Mittels einer Analyse der diversen Methoden der Publikumsimmersion im Park exploriert dieser Beitrag, wie die Fokussierung auf sensorisches Engagement und körperliche Erfahrung das Publikum innerhalb der präsentierten historischen Narrative politisch entfremdet. Zentrale Aspekte der Diskussion umfassen die Untersuchung physischer Prozesse, welche die dargestellte historische Narration als […]

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Pablo Santacana López

07.11.2024

11:30

Bodies made of corn and the stones that grind it. The Museum for National Identity of Honduras as a site of legitimisation of constructed collective memories: inclusion and exclusion, national myths and heritage storytelling through objects in the museum (ENG)

The Popol Vuh is heralded as a literary masterpiece of the ancient Maya, providing a window into their rich mythology as conceived by the 16th-century Quiché Maya of Guatemala. Many Maya books were lost to the fires of Christian missionaries, but the stories in the Popol Vuh survived, hidden until discovered by a Spanish priest in the early 18th century. The book describes the creation of the world by the gods, including the creation of humans by moulding their bodies out of maize paste. This myth, originating from the Quiché Maya, is now considered foundational throughout the entire Mesoamerican region. In Honduras, the Popol Vuh has been used as an element to the national narrative. At the Museum for National Identity in Honduras, the creation myth of the Popol Vuh is a key part of the storytelling by museum guides. […]

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Juan Carlos Barrientos García

07.11.2024

11:30

Körper-Gewalt-Instrumentalisierung der Sámi: Ein Schauplatz kolonialer Praktiken von ›Othering‹ (GER)

1875 wurde eine samische Familie mit ihrer Rentierherde in der ersten Hagenbeckschen »Völkerausstellung« in Hamburg als »Lappländerfamilie« und »Menschen aus dem hohen Norden« zur Schau gestellt. Bis in die 1950er Jahre reistenmindestens 30 Sámi-Gruppen innerhalb dieser Schauen durch Europa. Die Inszenierung vermeintlich primitiver und exotischer Lebensverhältnisse bestimmter marginalisierter Völkergruppen als so »authentisch und natürlich« wie möglich, bestätigte und erweiterte aus einem rassistischen Überlegenheitsgefühl heraus die vorhandenen Klischeebilder und Stereotypisierungen. Darüber hinaus entwickelten skandinavische und deutsche Wissenschaftler*innen Anfang des 20. Jahrhunderts ›Rassentheorien‹ und kategorisierten und vermaßen lebende Sámi und samische human remains. Damit waren die Sámi gleich zwei Arten seelischer und körperlicher Gewaltausübung ausgesetzt: Zum einen, indem ihre Körper auf ein bestimmtes europäisches Bild reduziert und instrumentalisiert wurden, um daraus Profit zu schlagen. Zum anderen, indem ihre Körper ›im Namen der Wissenschaft‹ in rassenbiologischen Versuchen angeeignet und mit machtasymmetrischen Narrativen versehen wurden. Beides sind […]

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Nicola Groß

07.11.2024

14:00

German bodies in Finnish ground: whose difficult heritage? (ENG)

What makes a cemetery an authentic place of remembrance is the presence of the bodies buried beneath it. These concrete material remains connect the present with past generations and their memory. In the case of German war cemeteries in Finland, the buried bodies are by no means neutral or unproblematic. On the contrary, their nationality and affiliation with the Nazi German Wehrmacht frames them as the wrong bodies to be remembered. While the Finnish war dead are treated as heroes, the German dead buried in Finnish ground are an uncomfortable reminder of a controversial past alliance. It is the Germanness of the dead that makes these cemeteries a difficult heritage.  This paper investigates German war cemeteries in Finland through the lens of bodies. The focus is on the two designated German war cemeteries in Finland, Honkanummi in Vantaa and Norvajärvi […]

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Olga Juutistenaho

07.11.2024

14:00

Zuhause in Umm Qays. Eine Erzählung über Körper und Raum (GER)

Hara Foqa – das obere Dorf von Umm Qays – entstand im ausgehenden 19. Jahrhundert auf den Ruinen der antiken Stadt Gadara und befindet sich im äußersten Nordwesten Jordaniens. 1974 wurde Gadara zur archäologischen Schutzzone erklärt und das Wohnen am Ort verboten. In der Konsequenz mussten die Menschen ihre Häuser verlassen und das Dorf blieb für lange Zeit ungenutzt. Mittlerweile hat sich das Erscheinungsbild des Ortes massiv verändert: einige der insgesamt rund 40 Hofanlagen wurden für die touristische Erschließung Gadaras saniert. Andere wurden abgerissen oder blieben ihrem Schicksal überlassen und stehen weiterhin leer.  Die Häuser Hara Foqas sind aus lokalen Materialien wie Basalt und Kalkstein errichtet und allein durch handwerkliche Planungs- bzw. manuelle Bauprozesse entstanden. Sie wurden stetig weiter und umgebaut und verändern sich bis heute aufgrund von Umnutzung, Leerstand und Vandalismus. Die Aktivitäten der Menschen haben sich dabei in das Material und den […]

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Olga Zenker

07.11.2024

15:00

Corporal Iconoclasm. Nationalist Narratives of Heritage and the Case of Gyanvapi in Varanasi (ENG)

In January 2024, a report published by the Archaeological Survey of India on the subject of the 17th century Gyanvapi Mosque located in the north-Indian temple town of Varanasi swiftly became the focus of national debate. The report stated that “there existed a large Hindu temple prior to the construction of the existing structure”, based on an analysis of excavated sculptures, defaced idols and architectural ruins. Religious nationalist discourse in contemporary India – which presently dominates the political landscape – describes the Gyanvapi Mosque as a symbol of identitarian exclusion. Ideologues compare the act of iconoclasm to literal corporal violence. Such anthropomorphism may be rooted in the foundational practices of ancient Indic animistic religions, according to which temple-land is seen as sacred corporeal space, and the idols housed therein as ‘living deities’ often given the legal status of a person. Therefore, […]

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Karan Saharya

07.11.2024

15:00

The touristic appeal of the abject: Tourism, displacement, and visibility in Cusco, Peru (ENG)

Over the last four decades, the urban revitalisation of Cusco’s historical centre has been displacing popular subjectivities and rendering them abject. Simultaneously, the tourism industry re-signifies and re-introduces some practices associated with abject subjectivities to the touristic sphere, presenting them as mystical multi-sensorial experiences; both processes are inextricably entangled. The increasing depopulation of the historical centre (Villegas & Estrada, 1990; Estrada & Nieto, 1998) is generally associated with the physical eviction and material dispossession of lower-income residents in favour of tourist facilities. However, geographer Michael Janoschka’s analyses of gentrification in other Latin American cities show how displacement is also bound to the dispossession of symbolic, social, and cultural capital.  The urban revitalisation of Cusco’s Historical Center specifically targeted the sanitation of the San Pedro market and the eviction of street sellers. These policies hit female racialised street and market vendors […]

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Martín Cornejo Presbítero

07.11.2024

16:00

Mit erhobener Faust. Architektur zwischen Instrumentalisierung und Subjektivierung (GER)

Ein Gebäude auf zwei schwarzen Beinen stehend mit einer erhobenen Faust auf der einen und einer in die Hüfte gestemmten Hand auf der anderen Seite. Das Symbol der Initiative Hermannplatz, das die Illustratorin Nele Brönner 2019 zeichnete, stellt das denkmalgeschützte Karstadt-Gebäude am Hermannplatz als protestierenden Akteur dar. Der Denkmalwert des Gebäudes, das im Rahmen von Neubauplänen des Immobilienkonzerns Signa abgerissen werden sollte, wird in zivilgesellschaftlichen Statements und Kundgebungen zwar erwähnt, aber der Kritik am Abriss liegt nicht die Identifizierung mit oder Wertschätzung von »official heritage« (Harrison 2013) zugrunde, sondern die Entwicklung von Handlungsfähigkeit im Kontext einer Instrumentalisierung des von Signa konstruierten »unofficial heritage« (ebd.): Dem Abriss des Bestandsgebäudes soll nämlich eine Fassadenrekonstruktion des Warenhausgebäudes von 1929 folgen. Die spekulative Bildwelt, mit der Signa das Vorhaben historisch und narrativ rahmt, wird im Vortrag als »unofficial heritage« zur Disposition gestellt, welches das […]

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Niloufar Tajeri

07.11.2024

16:00

Präsenz und Abstinenz von Körpern in der Aushandlung des Nationaltheaters in Tirana, Albanien (GER)

Das 1938/1939 von Giulio Bertè während der albanischen Monarchie und italienischen Besatzungszeit im rationalistischen Stil entworfene Gebäude ist Teil der monumentalen Stadtachse Tiranas. Städtische, nationale und europäische Identitätskonstruktionen begegnen sich an diesem Ort, der seit 2018 zum Gegenstadt eines politisierten Konflikts geriet, als die Pläne zum Abriss des Gebäudes und für einen modernen Ersatzbau von Bjarke Ingels Group bekannt wurden.  Im Zuge des zweijährigen Protests für den Erhalt des Nationaltheaters, der allen voran von der ›Allianz zum Schutz des Nationaltheaters‹ geführt wurde, entstand ein Banner mit der Aufschrift »Kulturdenkmäler werden von der Bevölkerung geschützt«. Das Banner gilt als Reaktion der Allianz auf den mangelnden politischen Willen für den Erhalt des Gebäudes. Gleichzeitig betont es körperliche Präsenz als Protestform für den Erhalt des Gebäudes. Nicht nur das Banner, sondern auch die Besetzung des Gebäudes von Juli 2019 bis zum Abriss am 17. Mai 2020 zeigen, welche bedeutende […]

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Arnisa Halili

08.11.2024

9:30

Praktische Denkmalpflege 1975. Eine Annäherung (GER)

Die Pflege eines Baudenkmals ist eine körperliche Tätigkeit – darauf gibt schon die Bezeichnung »Handwerk« einen wortwörtlichen Hinweis. Hat der menschliche Körper einen Platz in Texten, die denkmalpflegerisches Handeln inspirieren, leiten, lenken und limitieren sollen? Folgen wir der Frage ins Denkmalschutzjahr 1975 in eine der Modellstädte des Europarats und nähern uns einer Antwort über internationale und nationale Schriften, über Vorgaben des Bundeslandes Hessen und auf Kommunalebene der Stadt Alsfeld. Verändert sich die Sichtbarkeit von körperlicher Arbeit in der Denkmalpflege, wenn nicht von Architektur, sondern von heritage, patrimoine bzw. Erbe, also einem am Menschen orientierten Konzept, ausgegangen wird?

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Annika Sellmann

08.11.2024

9:30

Mensch und Maschine? Zu den »Denkmalen der Produktivkräfte« in der ehemaligen DDR (GER)

Die anerkannten Konzepte industriellen Erbes – unter dem Begriff der Industriekultur subsumiert – werden maßgeblich über den Verlust der aktiven Produktion konstruiert. Sie entstanden als Reaktion auf Deindustrialisierung und dienten zunächst der Erhaltung baulich-räumlicher Zeugnisse, wie im Ruhrgebiet der 1970er Jahre. Die darauffolgenden Transformationsprozesse werden zumeist von neuen Akteur*innen gestaltet und die hinterlassenen Zeugnisse entlang neuer Wertzuschreibungen grundsätzlich hinterfragt. Unabhängig vom daraus folgenden Umgang wird auch die Deutungsposition der Arbeiter*innen hinsichtlich ihres Erbes neu gesetzt: von aktiv Beteiligten zu passiven »Ehemaligen«. Teilweise werden die zentralen Perspektiven zwischen »Mensch und Maschine« in späteren Konzepten wieder aufgegriffen und dienen als Rückschau in die Vergangenheit – vielfach geraten sie aber auch gänzlich in Vergessenheit. In der vom Weltmarkt isolierten und planwirtschaftlich organisierten DDR nahm die Industrie einen konstituierenden Faktor ein. Das industrielle Erbe wurde daher nicht über einen Niedergang der Produktion, sondern als […]

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Fridtjof Florian Dossin

08.11.2024

10:30

»Verkörpertheit« in der Kunst in Polen (GER)

Körper werden seit jeher in der Bildenden Kunst dargestellt. In der Performancekunst werden sie gar Medium und Objekt. Mit der Dar- und Zurschaustellung menschlicher Körper in der Kunst als »Materialisierung« gewisser Normen, Konventionen oder Ideale werden spezifische Machtinteressen evident. Es nimmt daher kaum Wunder, dass die sogenannte »Kritische Kunst« in Polen angesichts des gesellschaftlichen und wirtschaftspolitischen Wandel nach 1989 sich u.a. sehr auf den menschlichen Körper konzentriert. Dabei erscheint die Beziehung zwischen Körper und Kunst nahezu einseitig. Stets wird der Körper zum Gegenstand der Kunst. Denkbar erscheint jedoch auch eine Perspektive, die den Körper nicht bloß als Gegenstand und Medium der bildenden Kunst, sondern die Kunst als Gegenstand der sich formierenden (politischen) Körper versteht.  2019 formiert sich ein Protest bestehend aus etwa 1000 »Körpern« vor dem Nationalmuseum in Warschau, als der von der damaligen rechtskonservativen Regierung ernannte Direktor Jerzy Miziołek […]

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Beate Piela

08.11.2024

10:30

Indocile Bodies: Soviet and post-Soviet corporeality in the exhibition project at the Kmytiv Museum (ENG)

One of the methods used by contemporary Ukrainian artists and curators to actualize and preserve the cultural heritage of the Soviet period is to build a dialogue between the art of two eras. One example of this approach is the thematic exhibition “Indocile Bodies” at the Kmytiv Art Museum in 2019, curated by Nikita Kadan. The exhibition is based on Soviet art from the museum’s collection, which contains almost no depictions of the naked body. Instead, it features numerous images of the body at work, the athletic body, the military body, and the body that demonstrates self-control and obedience. These works are placed in a polemical dialogue with those of contemporary Ukrainian artists, where the body becomes an instrument of transgression and the overcoming of disciplinary order. The curator Nikita Kadan refers to the image of ‘obedient bodies’, which appeared […]

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Yevheniia Moliar

08.11.2024

11:30

Subalterne, Gegenöffentlichkeiten und Gegenräume. Das Beispiel der Sexarbeiter*innen der Potsdamer Straße in West- Berlin (1961-1989)(GER)

Meinem Vortrag lege ich den seit 1966 von Michael Foucault geprägten Begriff der Heterotopie zugrunde. Dieser beschreibt »Gegenräume«, die gesellschaftlich legitimierte Orte spiegeln, negieren und widerlegen. Beispielhaft zählen zu den Heterotopienneben Friedhöfen, Parkanlagen und Gefängnissen auch die Bordelle. Am Beispiel der Potsdamer Straße in West-Berlin von 1961 bis 1989 betrachte ich verschiedene Räume der Sexarbeit (Straßenstrich, Club, Wohnung, Bar). In welche Beziehung lässt sich die körperliche und emotionale Arbeit der Sexarbeiter*innen zum Konzept der Gegenräume setzen? Um der Frage nachzugehen, werde ich mit den feministischen Konzepten der »subalternen Gegenöffentlichkeiten« (Nancy Fraser 1990) und des »weak resistance« (Eva Majewska 2021) argumentieren. Diese beschreiben, wie sich parallele Diskursfelder formieren und durch die beharrliche Ausübung von Widerstand in Alltagssituationen wirksam werden. Sowohl die Rolle der Sexarbeiter*innen als auch der Einfluss weiterer Akteur*innen des Sexgewerbes (die Hurenbewegung Hydra, Zuhälter*innen, Kund*innen) werden als Körper in ihren hegemonialen Rollen und […]

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Beverly Engelbrecht

08.11.2024

11:30

Obdachlosigkeit, Gewalt und die Rolle des Staates. Die Geschichte einer Räumung (GER)

Eine Serie von Morden und Mordversuchen an obdachlosen Menschen in der Stadt Wien erhielt im Jahr 2023 starke mediale Aufmerksamkeit. Auch in Berlin wird häufig von Angriffen berichtet und die Zahl der Gewalttaten gegen obdach- und wohnungslose Menschen steigt weiter an. Es handelt sich nicht um Einzelfälle. Die Zahlen sind erschreckend, die Berichte über den Hergang der einzelnen Taten erschütternd. Die Tatsache, dass es sich bei den Täter*innen nicht nur um Rechtsradikale, sondern auch um Jugendliche aus der ›Mitte der Gesellschaft‹ handelt, verdeutlicht den strukturellen Charakter des Problems. Historisch gewachsene Ideologien führen zur Gewalt einzelner Personen oder Gruppen gegen obdachlose Menschen und prägen auch den Umgang des Staates und seiner Behörden mit den Betroffenen. Wie aber ist erklärbar, dass eine so vulnerable Gruppe nicht nur dem direkten Hass und der Gewalt Einzelner ausgesetzt ist, sondern, dass auch staatliche Institutionen, von denen Viele […]

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Martha Ingund Wegewitz