Bernd Euler-Rolle (Wien): »Denkmalpflege als Erbepraxis«
Erben als Aneignungsphänomen scheint auf den ersten Blick weit von den Regularien der Denkmalpflege entfernt zu sein. Allerdings ist seit Alois Riegl ein Denkmal als Wertekonstrukt und Rezeptionsphänomen zu verstehen und aus Riegls Systematik der Denkmalwerte (1903) ergibt sich auch ein Denkgerüst für den Umgang mit den Artefakten, bei dem ebenfalls »intangible values« eingeschlossen sind. Somit ist es zu hinterfragen, ob man mit Gustavo Araoz (2009) das »professional toolkit« der Denkmalpflege in der Erbepraxis für unzureichend halten kann. Erbepraxis stößt schließlich an zwei reale Herausforderungen, nämlich an Materie und an Denkmaleigentümer, die konkrete Handlungsweisen erfordern. Hierzu bedarf es einer konkreten, nämlich denkmalpflegerischen Methodik, die in einer Entscheidungsmatrix besteht. Sie bildet das Beziehungsmuster zwischen den verschiedenen Stakeholdern und ihren verschiedenen Handlungsperspektiven ab und führt durch die Gewichtung, also die Abwägung aller Faktoren zu einer Handlungsrichtung. Die Fortführung, Stärkung oder Veränderung einer Erzählung am Denkmal lässt sich nur durch präzise Entscheidungsmuster glaubhaft und verlässlich herbeiführen, da sich Erzählungen aus der Lesbarkeit der Materie ergeben. Somit kann eine wohlverstandene Denkmalpflege, also der geordnete Prozess einer systematischen Handhabung aller Denkmalwerte, als gute Erbepraxis gelten.