Annika Sellmann (Frankfurt): Wider das rasche Schwinden – Ein Archiv für die »ländlichen Denkmäler der Kultur« im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg 1898-1915
Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe wird von Justus Brinckmann 1874 mitbegründet und bis 1915 geleitet. Dem Modell des pionierhaften South Kensington Museums folgend soll die Museumssammlung musterhaft auf Industrie und Handwerk wirken. 1887 übernimmt der Direktor für die Hamburger Oberschulbehörde die Aufgabe, ein‚ systematisches Verzeichnis der Kunstwerke und Altertümer‘ der Stadt anzulegen. Sowohl die inhaltliche Schwerpunktsetzung als auch die zu diesem Zweck entwickelte Methode der 1898 begonnenen Erfassung sind bemerkenswert. Brinckmanns Fokus liegt auf den Vier- und Marschlanden und ihren »Denkmälern der ländlichen Kultur«, welche er »im raschen Schwinden begriffen« sieht. Entgegen setzt er ein »Denkmäler-Archiv«, das die Ergebnisse der Inventarisation am Museum bündelt. Die ausgewählten Objekte werden beschrieben und fotografisch (Wilhelm Weimar), in maßgenauen Detailzeichnungen (Julius Faulwasser, Ernst Bergerow) sowie in farbigen Aquarellen (Hermann Haase) abgebildet. Bei der Inventarisation soll nicht nur bewusst auf eine zeitliche Eingrenzung des Denkmalbegriffes verzichtet werden, auch die Unterscheidung zwischen Baudenkmal, Kulturlandschaft und Museumsobjekt verliert an Bedeutung. Als Ergänzung der »HamburgensienSammlung« bietet Brinckmann mit dem Denkmäler-Archiv nicht zuletzt ein Identifikationsangebot mit der Heimatstadt für die Hamburger Bürger. Auf dem vierten Tag für Denkmalpflege in Erfurt stellt Brinckmann 1903 die Grundsätze seiner Arbeit vor, ein Jahr später übernimmt er im Bund Heimatschutz die Verantwortung für das Feld »Volkskunst auf dem Gebiete der beweglichen Gegenstände«. Rückblickend wurde seine Herangehensweise als wenig erfolgreiche Denkmalschutzstrategie und »Musealisierung der hamburgischen Denkmalpflege« (Hipp 1989) kritisiert. Der Vortrag will Brinckmanns Methode nicht als Werkzeug für den Schutz denkmalwerter Substanz prüfen. Es geht vielmehr darum, mithilfe des Erbe-Begriffes herauszuarbeiten, wie das Archiv im Museum als Kompensation für den wahrgenommenen Verlust »draußen« funktioniert. Wie wird Brinckmann zum Erben? Wie wird er des Erbes habhaft und wer kann teilhaben?