Nicola Groß
Kurzvita
- seit 2022 Kollegiatin am DFG-Graduiertenkolleg 2227 „Identität und Erbe“, Bauhaus-Universität Weimar
- 2020 Auslandsstudium an der Aarhus Universitet/DNK
- 2018–2022 Master Kunstgeschichte, Rheinische-Friedrich-Wilhelms Universität Bonn. Thema der Masterarbeit: „Utimut. Der Umgang des Dänischen Nationalmuseums mit kolonialem Sammlungsgut am Beispiel des grönländischen Rückführungsprojektes (1982–2001) und im Kontext aktueller musealer Dekolonisierungs-Debatten“ bei Prof. Dr. Christoph Zuschlag und Jun.-Prof. Dr. Ulrike Saß am Lehrstuhl „Provenienzforschung und Geschichte des Sammelns“
- 2012–2017 Bachelor Kunstgeschichte und Vergleichende Literatur und Kulturwissenschaften, Rheinische-Friedrich Wilhelms Universität Bonn
Kontakt
Bauhaus-Universität Weimar
Fakultät Architektur und Urbanistik
DFG-Graduiertenkolleg 2227 „Identität und Erbe“
D-99421 Weimar
Sitz: Marienstraße 9 | D-99423 Weimar
nicola.gross[at]uni-weimar.de
Vom Kulturerbe zur nationalen Identität. Interkulturelle Restitutionspraktiken in skandinavischen Nationalmuseen.
Nationalmuseen sind kontinuierlicher Bestandteil der Geschichts- und Erinnerungskultur von Nationen und damit aktiv an der Konstruktion von nationalem Selbstverständnis beteiligt. Zugleich wirken sie an der Reflexion des kulturellen Erbes von Nationen mit. In Skandinavien sind diese Zusammenhänge zwischen materieller Umwelt (Bau von Nationalmuseen und Kulturerbe) sowie der sozialen Aushandlung von kollektiver National-Identität und Nationalismen beispielhaft nachvollziehbar:
Zum einen wurde im frühen 19. Jahrhundert von skandinavischen Nationalstaaten Kulturerbe aus innerstaatlichen Kolonien und damit „aus dem eigenen Land“ vor dem Hintergrund geopolitischer Überlegenheitsdemonstration des Imperialismus und der europäischen Nationalstaatenwerdung konstant angeeignet und in Nationalmuseen transloziert. Es bildete sich eine Deutungshoheit über dieses Erbe heraus, das in bewusster Abgrenzung und Erhöhung zu den kolonialisierten indigenen Kulturen Skandinaviens stand („othering“).
Zum anderen wurde vermehrt ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kulturerbe an die indigene Ursprungsbevölkerung der Kalaallit und Samen restituiert. Insbesondere der Verlust von Kulturerbe und der damit gleichgesetzte Identitätsverlust für indigene Erbengemeinschaften wurden als zentrale Elemente in Restitutionsansprüchen sowie im Kampf um die Anerkennung eigener Vergangenheits- und Identitätsnarrative angeführt.
Das Dissertationsvorhaben untersucht den Einfluss von Restitution als zentraler Bestandteil gesellschaftlicher Identitätsbildungsprozesse innerhalb der Institution des Nationalmuseums. Es soll der Frage nachgegangen werden, wie indigene und nationale Identitätskonstrukte in den Spannungsfeldern zwischen Aneignung und Rückgabe, Verlust und Wiedergewinnung sowie kultureller Assimilation und Re-Indigenisierung für unterschiedliche Geschichts- und Identitätspolitiken in skandinavischen Nationalmuseen mobilisiert und bis heute (re)konstruiert, verändert oder unterbrochen wurden. Einen Forschungsschwerpunkt bilden die Rückführungsprozesse selbst, die für indigene Gemeinschaften im Kontext von Nation-building- und Capacity-building-Prozessen an westliche, neokoloniale Standards und Vorbedingungen geknüpft waren.
Auf diesem Wege sollen auch der bisher desiderate Forschungskomplex um Kulturerbe-Restitution und indigene Ursprungsbevölkerungen innerhalb Europas (Scandinavian / European Natives) sowie ihre postkolonialen Perspektiven sichtbar gemacht werden. Ggf. können Lösungsansätze für den aktuellen gesamtgesellschaftlichen Diskurs, in dem der Umgang mit Kulturerbe aus kolonialen Kontexten als Folge von Traumata und Konflikten aufgearbeitet und museal, kulturdiplomatisch sowie völkerrechtlich neu verhandelt wird, hervorgebracht werden.
Veröffentlichungen (aktuell)
„Brücken bauen: Der dänisch-grönländische Utimut-Prozess (1982–2001) als Erfolgsbeispiel bilateraler Restitutionsbestrebungen“, in: transfer – Zeitschrift für Provenienzforschung & Sammlungsgeschichte (2022) [im Druck].