Wolfram Höhne (Weimar): Die Erzählung als Denkmal. Nachbilder einer zerstörten Materialität
Im Januar 2018 wird in Halle an der Saale ein Baudenkmal der DDR abgebrochen. Undokumentiert bleibt hingegen jene Vergangenheit, die das Haus zu einem umstrittenen Erbe werden ließ, dass man zugleich als Bauwerk und als Baufehler angesehen hat. Wie ist es möglich, die kulturellen Konstruktionen in der Geschichte des Hauses zu beschreiben und zugleich in ihrer Widersprüchlichkeit bestehen zu lassen? Darf die Zerstörung eines Hauses als schöpferischer Moment aufgefasst werden? Welche Grenzen aber auch Möglichkeiten bietet das Medium des Textes, um der Erinnerung an die Geschichte eines Hauses eine angemessene und dauerhafte Form zu geben? Das Raumflug-Planetarium in Halle an der Saale zählte zu den bauhistorischen Zeugnissen des Betonschalenbaus. Auf einer Flussinsel wurde es 1978 errichtet. Viele Astronomielehrer erhielten in Halle ihre Ausbildung.
Die populärwissenschaftliche Himmelskunde war Teil des Kulturverständnisses der DDR. Dass die Bauhülle des Hauses aus bis zur Membran reduzierten Betonelemente bestand, hatte in der ökonomischen Krise des Landes seine Ursache. Ein Hochwasser der Saale überflutete 13 Jahre nach der Wiedervereinigung den Schalenbau und zerstörte die Projektionstechnik des Planetariums. Die Stadtverwaltung beschloss daraufhin den Abbruch. Im Prozess des Schreibens werden die Bruchstücke des Hauses zu den Versatzstücken eines Textes. Woran soll die Geschichte des Hauses erzählt werden? Und wie sind die Textfragmente anzuordnen, wenn sie nicht die Materialität selbst, sondern deren Wege durch die Geschichte in den Blick nehmen? Die Struktur des entstandenen historiografischen Textes vereint wissenschaftliche wie erzählende Techniken und beschreibt ihr Vorgehen unter dem Begriff der »narrativen Rekonstruktion«.