Zuhause in Umm Qays. Eine Erzählung über Körper und Raum (GER)

Hara Foqa – das obere Dorf von Umm Qays – entstand im ausgehenden 19. Jahrhundert auf den Ruinen der antiken Stadt Gadara und befindet sich im äußersten Nordwesten Jordaniens. 1974 wurde Gadara zur archäologischen Schutzzone erklärt und das Wohnen am Ort verboten. In der Konsequenz mussten die Menschen ihre Häuser verlassen und das Dorf blieb für lange Zeit ungenutzt. Mittlerweile hat sich das Erscheinungsbild des Ortes massiv verändert: einige der insgesamt rund 40 Hofanlagen wurden für die touristische Erschließung Gadaras saniert. Andere wurden abgerissen oder blieben ihrem Schicksal überlassen und stehen weiterhin leer. 

Die Häuser Hara Foqas sind aus lokalen Materialien wie Basalt und Kalkstein errichtet und allein durch handwerkliche Planungs- bzw. manuelle Bauprozesse entstanden. Sie wurden stetig weiter und umgebaut und verändern sich bis heute aufgrund von Umnutzung, Leerstand und Vandalismus. Die Aktivitäten der Menschen haben sich dabei in das Material und den Ort eingeschrieben: durch die Bearbeitungsspuren der Handwerker*innen an den Steinen und Oberflächen der Gebäude, durch die Gliederung der Höfe auf der Grundlage eines körperlichen bzw. menschlichen Maßstabes, durch die räumliche Transformation der Hofanlagen als Reaktion auf familiäre Veränderungen der Bewohnerschaft oder durch die informelle Nutzung der leerstehenden Räume. 

Im Dorf geführte Gespräche mit ehemaligen Bewohner*innen haben gezeigt, dass die an die Räume geknüpften Erinnerungen trotz der baulichen Veränderung fortbestehen und allein durch die Anwesenheit der Personen am Ort hervorgerufen werden. Es sind vor allem körperliche Aktivitäten, die erinnert und mit Räumen und Gebäuden assoziiert werden. Viele empfinden eine tiefe Verbundenheit zum Ort, obwohl sie ihre Häuser bereits vor rund 40 Jahren verlassen mussten. Der Beitrag fragt nach dem Grund für das empfundene Zugehörigkeitsgefühl und beleuchtet die Rolle der physischen Aneignung von Material und Raum für die Beziehung der Menschen zu ihrem (ehemaligen) Lebensraum.