Von Venus und Wal (GER)

Etwa hundert Jahre liegen zwischen zwei musealen Ereignissen, die bis heute ihre Spuren in der schwedischen Kulturgeschichte hinterlassen haben. Eines davon gewährt noch heute Besucher*innen Zutritt zu seinem Körper, das andere wurde nach drei Monaten Ausstellungszeit performativ demontiert. Am Beispiel des »Malmska Hvalen«, dem weltweit einzigen präparierten Blauwal, aus dem Jahr 1865 und der Skulptur »Hon- en Katedral«, die 1966 im Moderna Museet von Niki de Saint-Phalle in Stockholm konzipiert und gebaut wurde, präsentiert, vergleicht und hinterfragt dieser Vortrag zwei Geschichten immersiver Körper in musealer Umgebung. 

Während der Wal in Göteborg jährlich sein Maul für Besucher*innen öffnet und mittlerweile zu einem Wahrzeichen der Stadt geworden ist, verkörpert er zugleich eine wissenschaftliche Tradition, die von der vermeintlichen Herrschaft des Menschen über die Natur zeugt. Eine Tradition, deren Auswirkungen zunehmend diskutiert wird, und die sich teilweise anhand der Präsentation präparierter Tiere in naturhistorischen Museen veranschaulichen lässt.

Mit »Hon-en Katedral« forderte die Künstlerin Niki de Saint-Phalle die Machtstrukturen einer männlich dominierten Kunstwelt heraus. Die 23,5 Meter lange, raumfüllende Skulptur stellte einen liegenden, göttlichen, schwangeren und weiblichen Körper dar. Die bunt bemalten runden Formen waren, wie der präparierte Wal, mit Hilfe eines Holz-und Drahtgerüsts konstruiert und konnten durch die Vagina betreten werden. Im Inneren erwartete die Besucher*innen unter anderem eine Milchbar, ein Kino, eine Rutsche und eine Miniaturausstellung. 
Welche Narrative und Machtverhältnisse werden anhand der Konstruktionen, Erlebnissen und Existenzen dieser beiden ausgewählten Körpern sichtbar? Wie ist die große Resonanz zu bewerten und wie wirken solche Körperkonstruktionen in unserer zunehmend digitalen Welt nach?