Mit erhobener Faust. Architektur zwischen Instrumentalisierung und Subjektivierung (GER)

Ein Gebäude auf zwei schwarzen Beinen stehend mit einer erhobenen Faust auf der einen und einer in die Hüfte gestemmten Hand auf der anderen Seite. Das Symbol der Initiative Hermannplatz, das die Illustratorin Nele Brönner 2019 zeichnete, stellt das denkmalgeschützte Karstadt-Gebäude am Hermannplatz als protestierenden Akteur dar. Der Denkmalwert des Gebäudes, das im Rahmen von Neubauplänen des Immobilienkonzerns Signa abgerissen werden sollte, wird in zivilgesellschaftlichen Statements und Kundgebungen zwar erwähnt, aber der Kritik am Abriss liegt nicht die Identifizierung mit oder Wertschätzung von »official heritage« (Harrison 2013) zugrunde, sondern die Entwicklung von Handlungsfähigkeit im Kontext einer Instrumentalisierung des von Signa konstruierten »unofficial heritage« (ebd.): Dem Abriss des Bestandsgebäudes soll nämlich eine Fassadenrekonstruktion des Warenhausgebäudes von 1929 folgen. Die spekulative Bildwelt, mit der Signa das Vorhaben historisch und narrativ rahmt, wird im Vortrag als »unofficial heritage« zur Disposition gestellt, welches das denkmalgeschützte Gebäude als »official heritage« diskursiv zu verdrängen und abzuwerten sucht. Der Umgang, den die Zivilgesellschaft hingegen wählt, entzieht sich dieser Zweiteilung, deutet sie doch auf eine Art Subjektivierung von Architektur hin. 
Die Architekturtheoretikerin Albena Yaneva beschreibt, dass das Politische in der Architektur sich nicht in der Verkörperung politischer Symbolik oder Instrumentalisierung von Macht erschöpft, sondern vielmehr in der Rolle von Architektur als Akteurin innerhalb von Konflikten und Streitfragen zu verorten ist (2017). Die Architektin Petra Čeferin deutet diese Handlungsfähigkeit als eine Form der Selbstbestimmung, die aus den sozialen, historischen und kulturellen Bedingungen schöpfe, in denen die Architektur entstanden ist und wirkt: »[…] these conditions are the material […] from which [architecture] constructs its body« (2021, 9). Am Hermannplatz stellt sich die Frage, ob Architektur zum Körper wird, wenn sie innerhalb des stadtpolitischen Konfliktes in ein Beziehungsverhältnis mit menschlichen Körpern verwickelt wird und ob sie, wie menschliche Körper, als politisch und sozial umkämpfte Konstruktion zu verstehen ist, die zugleich handelnd in diese Konstruktionen eingreift. Oder: Was macht denn das Gebäude im stadtpolitischen Konflikt?