Were – der Wasserkörper von Tbilisi (GER)
Wasser ist der Ursprung des Lebens auf der Erde. Es ist die körperformende Flüssigkeit – vielfältig, flüssig und zirkulierend. In diesem Sinne bezeichnet das Wort Körperwasser den Wasseranteil eines Körpers und der, meist als »Gewässer« übersetzte Begriff »water body«, die Ansammlung von Wasser auf der Erdoberfläche. Auch Flüsse sind Wasserkörper und gelten als Symbol der Fortbewegung und Vitalität. Sie haben einen Lebenszyklus und werden oft als temperamentvolle oder wissende Wesen beschrieben. In vielen Kulturen gelten sie als sakrale und mystische Körper und haben in unterschiedlichen Ländern mittlerweile den Status von juristischen Personen. Doch die anthropozentrische Idee, dass der Mensch die Natur formt, führte zur hierarchischen Struktur der Natur-Kultur und Subjekt-Objekt Dichotomie sowie in urbanen Kontexten zur Zähmung und Auslöschung einer »wilden Natur«. Entsprechend werden die städtischen Flüsse besonders seit dem 20. Jahrhundert hauptsächlich auf die praktische Nutzung als Infrastruktur degradiert – so auch in der georgischen Hauptstadt. In Tbilisi ist die eigentliche Namensgeberin des historischen Stadtteils, der Nebenfluss Were, kaum zu finden. Während der Sowjetunion ersetzte die domestizierte Natur, wie z.B. der Zoo, der zentrale Park und der Schwimmbadkomplex die Landschaft im Flusstal. Mit der Realisierung der Schnellstraße, löste der Verkehrsfluss die Were im Stadtbild ab. Die Were ist unsichtbar geworden aber sie ist eng mit der Stadt verflochten geblieben. Der Fluss, dessen Strömung trotz aller Versuche nicht gänzlich gebändigt werden konnte, der sein Flussbett zurückerobern möchte und sich für die Beseitigung der Natur revanchiert, lässt sich als ein widerständiger und unbezähmbarer Naturkörper fürchten und zugleich bewundern. Mit solchen Eigenschaften können Flüsse zu Symbole des zivilen Ungehorsams werden: »Der Fluss der Menschen wird nicht aufhören, aus dem Herzen des Landes zu fließen«, ist in Tbilisi zum Leitsatz der bisher größten Protestbewegung geworden.