Lokale Identitätskonstruktionen in digitaler Transformation: An den ‚Peripherien‘ einer globalisierten Welt (DE)
Abgelegene, ländliche Räume sind ein beliebtes Subjekt urban-zentrischer Projektionen. Häufig als Peripherien der globalen Vernetzung und Schwellen von Modernisierungs- und Entwicklungsvorhaben gebrandmarkt, gelten sie sogleich als Ressource, die es planerisch zu erschließen gilt. Während den Bewohner*innenperspektiven wenig Platz im öffentlichen Diskurs eingeräumt wird, erleben diese die digital getragene Kommodifikation ihres Lebensraums zu Symbolräumen einer mystifizierten Authentizität mit. Heute koproduzieren digitale Technologien translokal die Neuinterpretation und Transformation dieser Räume.
Diese digitale Vernetzung der Welt wird in Raumwissenschaften und -planung als critical juncture der Raumproduktion verstanden: Globale Diskurse, Dienste und Wissenssysteme, an die wir als Individuen digital angeschlossen sind, refigurieren unseren gefühlten Standpunkt in der Welt und nehmen Einfluss auf unsere Raumhandlungen. Identitätskonstruktionen, bestehend aus multiplen und simultanen Kontexten eines Individuums (Sen, 2006), bilden damit Weichenstellungen alltäglicher Raumproduktionen. Durch digitale Technologien gewinnen sie heute potenziell neue Spielräume, um lokale (Raum)identitäten und Erbeverständnisse angesichts externer und hegemonialer Neueinflüsse zu verhandeln.
Diesem Gedankenstrang folgend, skizziert der Beitrag erste Befunde zweier qualitativen Fallstudien aus Chile und Südkorea. Im Mittelpunkt steht die enge ideelle und gelebte Verbindung zwischen materiellen Artefakten, wie Geografie, Architektur und Klima, und den Identitätskonstruktionen der Bewohner*innen; und wie dieser Nexus angesichts neuer digitaler Ökonomien, wie dem Tourismus und dem E-Commerce, Kontinuität findet. Das sich hierbei aufspannende Bild zeigt, wie interagierende Identitätsaspekte in Form von intersektionalen Raumwissen und -praxen auf Mikroebene des Individuums digital konsolidiert, kommuniziert und räumlich weitervererbt werden können.
Die Betrachtung wirft ein Licht auf den janusköpfigen Eintritt digitaler Dienstleistungsökonomien in ländlichen Räumen, bei welcher grenzenlose Informationsströme auf die Endlichkeit von materiellen Akteuren und Praxen der Identitäts- und Kulturerbekonstruktionen treffen.