Katharina Rotté (Weimar): Substanzlose Objekte und ihre Materialität: Zum Verständnis von mit sich selbst identischen Bauwerken in der frühen Neuzeit
Der Vortrag analysiert zwei Stellen in Francesco Albertinis (?—1521?) Rom-Guide „Opusculum de mirabilibus novae et veteris urbis Romae“, der erstmals 1510 erschien. Der Autor dieses „kleinen Werks über die alten und neuen Sehenwürdigkeiten Roms“ beabsichtigt explizit, die bis dahin weit verbreiteten „Mirabilia“ zu modernisieren, die von fantastischen Erzählungen durchsetzt waren. In diesem Sinne zeichnet sich Albertinis Werk durch seinen typisch neuzeitlichen, materialistischen Zugang zu den Sehenswürdigkeiten Roms aus.
Im Fokus stehen zwei Passagen aus dem „Opusculum”, in denen Brücken Roms – der Pons Sublicius und der Ponte Sisto – beschrieben werden. Wie zu zeigen sein wird, beruft sich der Autor hier auf ein formales Prinzip von Objektidentität, das einer unveränderten Substanz entbehren kann. Wie etwa Nagel und Wood in „Anachronic Renaissance“ (2010) gezeigt haben, funktionierte ein solches Identitätsparadigma über viele Jahrhunderte hinweg insbesondere in religiösen Kontexten durch Substitution. Nur scheinbar unvereinbar mit seinem modernen Material-Fokus, nutzt Albertini sowohl das Substitutionsprinzip für eine Kontinuitätserzählung, als auch den materialistischen Ansatz für eine Fortschrittserzählung.