Ringvorlesungsreihe »Identität und Erbe«
Wir möchten Sie auf die nächste Weimarer Veranstaltung hinweisen, die diesmal das Erscheinen des Buches »Rationelle Visionen«, hrsg. von Bianka Trötschel-Daniels und Tino Mager und den Vortrag der Mitautorin Kathrin Siebert (Zürich) verbindet. Im Anschluss an die Vorlesung laden wir zur Präsentation mit der Herausgeberin und Kollegiatin Bianka Trötschel-Daniels und zu einem kleinen Umtrunk ein.
25.6.2019, Bauhaus-Universität Weimar
Kathrin Siebert (Zürich): »Keine Furcht vor Monotonie! Rationelle Visionen des Schweizer Architekten Hans Schmidt in der DDR 1956-1969«
«Keine Furcht vor Monotonie!» rief der Schweizer Architekt Hans Schmidt (1893–1972) seinen Kollegen in der DDR im August 1956 aufmunternd zu. Gerade erst war «Die große Wende im Bauwesen» (1956) hin zur umfassenden Industrialisierung des Bauens verkündet worden und viele Architekten wehrten sich gegen dieses Diktat. Schmidt hatte bereits in den 1920er Jahren mit industriellen Fertigungsmethoden experimentiert und war im Januar 1956 in die DDR übergesiedelt, um als Hauptarchitekt am Institut für Typung die staatliche Typisierung, Standardisierung und die Entwicklung des industriellen Bauwesens zu leiten. Schmidt blieb bis 1969 in der DDR und begleitete die ersten Jahre des planwirtschaftlich organisierten industriellen Bauens. Er verfasste etliche programmatische Entwürfe und Texte, welche in der öffentlichen Architekturdiskussion jedoch nur ansatzweise wahrgenommen wurden. Seine kritische Auseinandersetzung mit der Architektur und vor allem dem Städtebau der DDR gilt es heute (wieder) zu entdecken. Hans Schmidt hatte eine klare Vorstellung davon, auf welche Art und Weise das industrielle Bauen umgesetzt werden sollte. Typenprojektierung war für ihn schon seit den 1920er Jahren die wesentliche Grundlage einer rationellen Fertigung. Seine Idee basierte auf einem systemischen Denken, welches aber ein grundlegendes Umdenken in Bezug auf die Architektur und den Entwurfsprozess zur Voraussetzung hatte. Nicht freies Entwerfen von einzelnen Komponenten, sondern ein umfassendes Entwerfen mit bereits festgelegten Komponenten innerhalb eines vorgegebenen Rasters – ein Zusammenfügen von gegebenen Einzelteilen zu einem Ganzen – wäre die Folge gewesen. Dieses Denken war schon in den 1920er Jahren revolutionär. In den 1950er Jahren stiess es in der DDR auf altbekannte Widerstände. Schmidts Konzept einer «rationell» rationalen Architektur basierte auf einer Einheit von Theorie und Praxis einerseits und einer Einheit von Technik, Ökonomie und Ästhetik andererseits. Damit unterschied sich Schmidt auf prägnante Weise von den Auffassungen seiner Zeitgenossen, sowohl unter den Mitgliedern der CIAM und des Schweizerischen Werkbundes als auch der staatlichen Organisationen in der Sowjetunion und in der DDR. In meinem Vortrag stelle ich das Wirken von Hans Schmidt in der DDR vor. Drei wesentliche Visionen werden im Mittelpunkt stehen: 1. Typung als Methode für ein sozialistisches Bauen. 2. Typisierung als umfassende Entwurfsmethode: vom einzelnen Bauteil, über das Haus, bis hin zum Städtebau. 3. Eine Theorie des industriellen Bauens als Grundlage für eine sozialistische Architekturtheorie.
Kathrin Siebert ist als Kunsthistorikerin und Architektin an der Schnittstelle von Architektur, Geschichte und Theorie, vor allem in der Forschung und Vermittlung tätig. Nach ihrem Architekturstudium arbeitete sie als Architektin in Rotterdam und Delft. Anschliessend studierte sie Architekturgeschichte, Kunstgeschichte, Sozialgeschichte und Geschichte der Neuzeit. Während ihrer Studienzeit an der Universität Zürich arbeitete sie als wissenschaftliche Volontärin an der Graphischen Sammlung der ETH und als Assistentin am MAS Architekturgeschichte und Theorie am Institut gta an der ETH. Danach war sie mehrere Jahre an der Professur für Geschichte des Städtebaus am Institut gta tätig. Sie leitete Lehrveranstaltungen und Forschungsprojekte und konnte eigene Ausstellungsprojekte verwirklichen. Ihre Dissertation über den Schweizer Architekten Hans Schmidt wurde vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert. Schwerpunkte ihrer Forschung sind Architektur-, Kunst- und Theorieproduktion im 20. Jahrhundert, insbesondere Wohnungsbau und Städtebau von der Zwischenkriegszeit bis heute sowie Architekturtheorie in der DDR.
Im Anschluss an die Vorlesung laden wir zur Buchpräsentation mit der Herausgeberin Bianka Trötschel-Daniels und zu einem kleinen Umtrunk ein.
Datum: Dienstag, 25.6.2019
Beginn: 18h30 s.t.
Veranstaltungsort:
Bauhaus-Universität Weimar
Marienstr. 13, Hörsaalzentrum, Hörsaal D
Interessierte sind herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.
Die anstehenden Termine und Themen für Weimar und Berlin finden Sie weiter unten im Überblick.