Ringvorlesungsreihe »Identität und Erbe«
Ganz herzlich möchten wir Sie zum nächsten Berliner Vortrag in unserer Ringvorlesungsreihe einladen. Diesmal wird Gabi Dolff-Bonekämper, Sprecherin des Graduiertenkollegs, ihre präzise kritische Auseinandersetzung mit dem Soziologen Maurice Halbwachs und dessen Modell des "mémoire collective" vorstellen, welches als "kollektives Gedächntis" eine Erfolgsgeschichte im deutschen Erinnerungsdirskurs erlebt hat.
18.6.2019, Technische Universität Berlin
Gabi Dolff-Bonekämper: »Maurice Halbwachs' "mémoire collective". Ein Denkmodell.«
Der Soziologe Maurice Halbwachs hat in seinen drei Büchern «Les Cadres sociaux de la mémoire» (1925), «La topographie légendaire des évangiles en Terre sainte» (1941) und «Mémoire Collective» (posthum, erster Druck 1950) die Grundlagen für die heutige Erinnerungsforschung geliefert. Der Begriff „mémoire collective“, in Deutsch „Kollektives Gedächtnis“ ist über die letzten 30 Jahre zum Leitwort der Erinnerungsforschung geworden. Aber was steckt hinter dem Begriff? Wie hat ihn Halbwachs entwickelt? Erfasst er die angestrebte oder oktroyierte Einigkeit einer Gruppe über die Bedeutung vergangener Ereignisse, die im kollektiven Gedächtnis aufbewahrt, ihre Stärke ausmachen sollen? Oder passen auch Streitigkeiten um die „richtige“ Erinnerung in das Modell? Worin besteht genau der Unterschied bzw. der Bezug zum älteren Konzept der „Cadres sociaux“, und warum genau stehen sie im Plural? Halbwachs berichtet in der „Topographie légendaire“ über die topographische (Neu)Verortung von Ereignissen des in der Bibel geschilderten Heilsgeschehen durch ortfremde Mitteleuropäer, die, Jahrhunderte nach dem Geschehen, auf Pilgerfahrt oder als Eroberer, ins Heilige Land reisen und es als ihr Territorium begreifen und besetzen wollen. Sollen wir dies als Gleichnis auffassen, oder als Modell? Im Rahmen unseres Graduiertenkollegs haben wir uns das Ziel gesetzt, eine Kulturerbe-Theorie zu entwickeln, die die Konzepte von Identität und von Erbe in ein Verhältnis von stabiler Instabilität zu setzen erlaubt. Was können wir von Maurice Halbwachs soziologischen Modellen lernen?
Gabi Dolff-Bonekämper ist Kunsthistorikerin, Denkmalpflegerin und Aktivistin und seit 2002 Professorin für Denkmalpflege am Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin. Von 1988 bis 2002 war sie am Landesdenkmalamt in Berlin tätig. 2001–2002 forschte sie als Guest-Scholar am Getty Conservation Institute in Los Angeles zum von ihr eingeführten Konzept des „Streitwerts“. Von 2000 bis 2011 war sie Mitglied der Expertengruppe für Kulturerbe beim Europarat, die die „Convention de Faro sur la Valeur du Patrimoine Culturel pour la société“ (2005) erarbeitet hat. Zahlreiche Publikationen zur Denkmalwerttheorie, zur Erinnerungskultur und zu Architektur und Städtebau der Nachkriegsmoderne. Seit 2016 ist sie Sprecherin des DFG-Graduiertenkollegs „Identität und Erbe“.
Datum: Dienstag, 18.6.2019
Beginn: 18h30 s.t.
Veranstaltungsort:
Technische Universität Berlin
Hauptgebäude, Hörsaal 112 Straße des 17. Juni 135, D-10623 Berlin
Interessierte sind herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.
Die anstehenden Termine und Themen für Berlin und Weimar finden Sie weiter unten im Überblick.
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