Anca Claudia Prodan (Cottbus): THEORETISIERUNG VON DOKUMENTENERBE. VON NORMATIVEN PERSPEKTIVEN ZU DEN HERITAGE STUDIES 

Ringvorlesung am 6.Juni (18.30 Uhr)
Technische Universität Berlin, Neuer Raum:
Erweiterungsbau, Straße des 17. Juni 145, Raum EB223

Heritage Studies sind ein sehr heterogenes Forschungsgebiet, das so unterschiedliche Disziplinen wie die Naturwissenschaften und die Künste umfasst. Das Feld basiert jedoch stark auf Fallstudienforschung, orientiert sich an praktischen Interessen und wurde zu einem großen Teil durch UNESCOs normative Instrumente für Erbeschutz und deren lokale Auswirkungen auf der ganzen Welt beeinflusst.
Die Theoriebildung hinkt hinterher, so dass die Forschung fragmentarisch, unsystematisch und willkürlich ist in Bezug auf die disziplinären Traditionen, auf die sie sich stützt und die untersuchten Themen. Die Konzentration auf das, was man als „Mainstream Heritage Discourse“ bezeichnen könnte, d.h. auf Themen, die sich hauptsächlich auf das bebaute Umfeld und die immaterielle Kultur beziehen, hat Bereiche verdeckt, die in der Kulturerbe-Gemeinschaft weniger populär sind, wie z.B. die Beschäftigung mit Dokumenten. Ziel dieses Vortrags ist es, den Begriff des Dokumentenerbes, der durch das UNESCO-Programm „Memory of the World“ eingeführt wurde, zu präsentieren, eine Auswahl theoretischer Perspektiven für seine Untersuchung vorzustellen, einschließlich Erkenntnissen aus den Informationswissenschaft, der Medienwissenschaft, der Erinnerungsforschung und der Philosophie, und über seinen Platz und seine Rolle in der Erbeforschung und -praxis nachzudenken.

Anca Claudia Prodan, PhD, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, Gastprofessorin an der Lettischen Kulturakademie, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sorbischen Institut und Forschungsberaterin am Institute Heritage Studies. Ihre aktuelle Forschung liegt an der Schnittstelle von Kultur-, Technik- und Informationswissenschaften und sie untersucht die Auswirkungen digitaler Technologien auf die Erzeugung und Vermittlung von Kultur. Anca ist seit fast fünfzehn Jahren auf dem weiten Gebiet Heritage Studies tätig. Sie trug zur paradigmatischen Ausrichtung der Heritage Studies bei, die vom Institut Heritage Studies entwickelt wurden. Sie war an der Gestaltung und Entwicklung von Lehrplänen für Studiengänge im Bereich des Kulturerbes auf Master- und Promotionsebene beteiligt und initiierte akademische Forschung zum UNESCO-Programm Memory of the World. Zu ihren Aktivitäten außerhalb des akademischen Umfelds gehört die Leitung des Projekts 50 Years World Heritage Convention: Shared Responsibility – Conflict & Reconciliation und ihr Beitrag zum Entwurf der UNESCO 2015 Recommendation concerning the preservation of, and access to, documentary heritage including in digital form.

Der Vortrag kann im Livestream verfolgt werden: https://tu-berlin.zoom.us/j/66921079151?pwd=UThiZWxYYTYzbjdRZUxXRHU3R0JYZz09 (Meeting-ID: 669 2107 9151, Kenncode: 175790). Ein Mitschnitt ist in unserem Podcast zu finden.

Neuerscheinung: CENSORED? CONFLICTED CONCEPTS OF CULTURAL HERITAGE

Ayşegül Dinççağ Kahveci, Marcell Hajdu, Wolfram Höhne, Darja Jesse, Michael Karpf, Marta Torres Ruiz (Hg.)

Wer danach fragt, wie sich soziale Entitäten auf die Vergangenheit beziehen, der findet umkämpfte Deutungen und Praktiken um ein kollektiv geteiltes Erbe vor. Dissens und Konflikte zwischen den Erbegemeinschaften stellen produktive Momente der Aushandlung von Vergangenheits-, Identitäts- und Erbeentwürfen dar und hinterlassen zugleich Auslassungen, Umschriften und Hinzufügungen. Der Blick auf all jenes, das als negativ oder unerwünscht gilt, was unterdrückt, ausgeschlossen, abgelehnt oder verhindert wird, offenbart neue Perspektiven: Er enthüllt wie sich soziale Gruppen über konkrete Identitätsvorstellungen formieren, lässt Narrative hervortreten, verfolgt die Aktualisierung der materiellen Formationen immaterieller Erbekonstruktionen.
Die hier versammelten Beiträge widmen sich konfliktbeladenen Erbeprozessen in Geschichte und Gegenwart. Sie setzen sich mit Mechanismen der inkludierenden und exkludierenden Aushandlung von Identität und Erbe anhand des titelgebenden Begriffes der Zensur auseinander. Zensur meint hier weniger ein Instrument der Kontrolle und Repression, als vielmehr ein diskursives Instrument in öffentlichen Debatten. Gegenwärtig wird von Zensur vor allem dann gesprochen, wenn der Umgang mit einem kulturellen Erbe kritisch beleuchtet oder gegen Kritik immunisiert werden soll. Die Autor:innen verfolgen die Verbindungslinie zwischen Identität und Erbe, indem sie nach der Teilhabe an kollektiven Erbeprozessen und zeigen, wie sich Konstruktionen von Identität nicht nur im Erbe manifestieren, sondern zugleich am Erbe ausgehandelt werden.

Mit Beiträgen von Anna Ainio, Arnold Bartetzky, Rachel Győrffy, Nasima Islam, Irakli Khadavgiani, Jochen Kibel, Friederike Landau-Donnelly, Kristina Leko, Patricia Lenz, Nnenna Onuoha, Lukas Rathjen, Natalie Reinsch, Anatol Rykov, Niloufar Tajeri und Klara Ullmanova.

Der Band 4 der Schriftenreihe des DFG-Graduiertenkollegs 2227 „Identität und Erbe“ ist im Buchhandel erhältlich (180 Seiten, 28 Abbildungen in Farbe zum Preis von 28,00 €) und erscheint im November 2023 als Open Source.

ISBN:978-3-95773-304-7

DFG-Graduiertenkolleg 2227 »Identität und Erbe«
 
Bauhaus-Universität Weimar
Fakultät Architektur und Urbanistik
 
Wissenschaftliche Koordination:
Dr. Wolfram Höhne
99423 Weimar, Marienstr. 9 (Raum 105)
Tel. +49 (0) 3643 - 583139
wolfram.hoehne@uni-weimar.de
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